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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hatte, einen Wolf zu töten. Aber Rodraeg würde das Töten nicht immer den anderen überlassen können und selbst mit sauberen Händen aus jedem Konflikt hervorgehen. Wer sich auf dem Kontinent herumtrieb, mußte dafür einen Preis entrichten. Schon in seinen frühen Wanderjahren hatte Rodraeg sich damit schwergetan und war deshalb schließlich immer wieder seßhaft geworden, um sich ums Bezahlen herumzudrücken.
    Â»Habt ihr Adenas Stimme gehört?« fragte er, immer noch verwirrt zwischen Mond und den ihn spiegelnden Pfützen, zwischen Schwert, Pfeilen und totem Wolf hin- und herschlingernd.
    Â»Ja, von da hinten.« Hellas deutete in eine Richtung, weiter weg vom Hof. »Wie sieht’s aus, Seebär? Kannst du weiter?«
    Â»Ja. Ich weiß nur nicht, ob …« Eljazokads Stimme versagte.
    Â»Wenn du willst, dann geh zum Hof zurück«, schlug Rodraeg vor. »Bestar und Terenz und Alins sind dort.«
    Â»Alleine zurück? Das ist wohl noch gefährlicher, als mit euch beiden weiterzugehen. Nein, ich bleibe bei euch.« Eljazokad versuchte ein tapferes Lächeln, als er sich aufrichtete, aber Rodraeg sah ihn zum ersten Mal ohne sein sonst immer zur Schau gestelltes lässiges Selbstbewußtsein. Der Wolf hatte ihn wohl angesprungen, als er nach seinem Sturz immer noch am Boden lag. Ohne Hellas hätte Eljazokad keine Chance gehabt.
    Sie hasteten weiter. Eljazokad hinkte ein wenig, behauptete jedoch, es sei nichts Ernstes. Rodraeg rief Adenas Namen. Sie antwortete mit: »Sie haben mich eingekreist, gebt acht!«
    Der Mond verschwand hinter segelnden Wolkenfetzen. Es wurde so dunkel, daß Rodraeg beinahe gegen einen Baum gerannt wäre. Schwer atmend blieben sie stehen, um sich neu zu orientieren. Rodraeg hustete – es hörte sich schmerzhaft an und war es auch.
    Â»Jetzt kann ich mich mal nützlich machen«, japste Eljazokad. »Ich kann das Restlicht verstärken. Aber das wird mich so auslaugen, daß ich keinen Blitz mehr hinbekomme.«
    Â»Was bedeutet das: Restlicht verstärken?«
    Â»Ich nehme das, was von den Sternen kommt und was vom Mond noch durch die Wolken schimmert und was sich gefangen hat in Nebeltau und Regengras und … errege es, bis es ein wenig stärker leuchtet. So kommen wir besser voran und sehen wahrscheinlich etwa genau so gut wie die Wölfe.«
    Â»Großartig. Beeil dich.«
    Eljazokad konzentrierte sich. Sein Gesicht, ohnehin kaum zu erkennen, sah greisenhaft und fadenscheinig aus. Mit beiden Armen machte er eine umfassende Aushol- und Einholbewegung und tanzte dann in mehreren unregelmäßigen Schritten um sich selbst, bis er aussah wie eine aus ihrem Fundament gerissene Windmühle. Langsam wurde es tatsächlich heller um sie herum. Bäume hoben sich wieder von ihren Zwischenräumen ab.
    Â»Ist es wirklich heller, oder sehen wir jetzt nur wie Wölfe?« fragte Hellas.
    Â»Es ist tatsächlich heller«, schnaufte Eljazokad.
    Â»Dann ist es für die Wölfe also taghell«, folgerte der Bogenschütze. »Das sollten wir nicht unterschätzen.«
    Â»Wölfe verlassen sich ohnehin nicht nur auf ihre Augen«, entgegnete der Magier. »Auch bei völliger Finsternis würden ihnen ihre Nasen weiterhelfen. Ich hatte schon überlegt, ob ich ihnen ihr Restlicht wegnehmen soll, aber das bringt nur etwas bei menschlichen Gegnern, nicht bei Tieren.«
    Â»Weiter jetzt«, mahnte Rodraeg zur Eile. So lange noch keine Schreie von Adena zu hören waren, so lange wurde sie auch noch nicht in Stücke gerissen. Aber wenn die Schreie begannen und sie waren dann noch nicht bei ihr, kamen sie zu spät.
    Es konnte jetzt nicht mehr weit sein, es sei denn, Adena Harpa bewegte sich ebenfalls, und zwar von ihnen weg. Die Bäume glichen dunkelgrauen Schemen vor einem hellgrauen Hintergrund. Eljazokads magische Beleuchtung verwandelte alles um sie herum in ein unwirkliches Dämmerreich, zwischen Mittwinternacht und Hochsommermorgenrot. Sie eilten dahin wie Gespenster unter Geistern.
    Als sie die Lichtung erreichten, bot sich ihnen ein ausgeklügelt arrangiertes Bild. Adena kauerte inmitten eines Belagerungsringes aus Wölfen. Die Raubtiere, mehr als ein Dutzend, gewaltige Flechtenwölfe mit bis zu anderthalb Schritten Schulterhöhe, bewegten sich unruhig, wechselten die Richtung, schnupperten und drohten, verließen aber nie den langsam kreisenden Reigen.

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