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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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die nicht einmal Manns genug waren, auf einem ihrer klapprigen Kähne hinauszufahren und es dort draußen in der blaugrauen Weite mit den Walen aufzunehmen. Bestar verspürte nicht übel Lust, Feuer zu legen an Wandry, um diesen Schandfleck aus den Klippenwäldern zu tilgen, aber die Stadt war dermaßen durchnäßt und aufgeweicht, daß jede Flamme wohl schon bald in ölig blakendem Qualm verenden würde.
    Bestar dachte an Migal, wie er mit ihm zusammen eine solche Aufgabe angegangen wäre. Laichlegende Befehlsgeber verprügeln, bis sie ihre Schwäche wimmernd eingestanden. Ein paar Pfähle herausreißen oder eintreten, bis einige Gebäude mitsamt ihrem Unrat ins Brackwasser rutschten. Den ehrlosen Fängermagier ins Meer tunken, bis keine Blasen mehr aufstiegen. Den Walschlächtern ihre eigenen Mordstangen und Fischklingen um die Ohren dreschen, bis das Mammut plötzlich hundert freiwillige Mitglieder mehr hätte.
    Migal.
    Migal hatte jetzt sicherlich Spaß bei Erdbeben.
    Aber er hatte keinen Rodraeg dabei, der immer alles durchdachte und für jeden trotzdem ein freundliches Wort übrig hatte, keinen Hellas, der ein zu Boden trudelndes Blatt an einen Baumstamm schießen konnte, keinen Eljazokad, der helle Blitze mit den Händen machen konnte und Reden halten für Tote, die so klangen, als sei der Tod kein Tod, sondern ein vorübergehender Zustand.
    Nur mit Mühe wandte Bestar sich vom Meer ab, in dem weit und breit kein Wal zu sehen war, ging zurück in das Gewimmel grauspaniger Holzhäuser, fand eine Gaststube mit dem Namen Um Saedraign, nahm sich aus der Schankstube ein Stück kalten Braten und einen Humpen Schwarzwein mit aufs teuerste Einzelzimmer, das dort zu haben war, und legte sich in Schuhen und Wanderkluft aufs Bett. Er hatte das schwere, würzige Getränk kaum hinuntergestürzt, da rollte ihm auch schon der angenagte Bratenknochen aus der Hand, über die Brust und er schlief laut schnarchend ein.
    Hellas mietete sich zuerst in einem Gemeinschaftsschlafraum in der Herberge Corail ein. Ein Einzelzimmer wäre ihm lieber gewesen, aber wenn er sich unauffällig umhören wollte, war es naheliegender, das Zimmer mit acht anderen Schlafgästen zu teilen.
    Leider machte ihm in der Nacht seine Raumangst zu schaffen. Nur ein einziges Bett war in dem schmalen Zimmer noch frei geblieben, und in das wuchtete sich zur Mitternacht ausgerechnet ein sehr beleibter, nach Achselschweiß und Zwiebelatem stinkender Kerl. Hellas wälzte sich hin und her, versuchte hier und dort noch ein kleines Schwätzchen zu halten, ob es ein besonderer Anlaß wäre, der so viele Gäste nach Wandry triebe, aber alle erzählten nur, daß sie auf der Suche nach einem Schiff wären, um anzuheuern, oder daß sie aus dem Umland hierhergekommen wären, um ihren hartverdienten Arbeitslohn auf den Kopf zu hauen. Die Ausdünstungen der dann insgesamt neun anderen, das mehrstimmige Gerassel und Geschnarche, das unregelmäßige Aussetzen von Atmung sowie das Knarzen und Quietschen der astigen Bettgestelle trieben Hellas schließlich nicht nur aus dem Bett, sondern auch aus dem Zimmer und sogar aus dem Gasthof. Er hatte all seine Habseligkeiten, auch den Bogen, den er ohnehin nur ungern aus den Augen ließ, mitgenommen und trieb sich nun in den finstersten Stunden der Nachmitternacht im Spelunken- und Rotleuchtenviertel herum – müde, aber unfähig, Ruhe zu finden.
    Schon nach wenigen Sandstrichen bemerkte er, daß er verfolgt wurde. Zwei gedrungene Schatten tauchten immer wieder hinter ihm ab, wenn er den Kopf weit genug zur Seite wandte, um die eben durchquerten Gassen ins Gesichtsfeld zu bekommen. Sämtliches Licht war trügerisch und zweideutig, aber Hellas behielt seine nicht allzu geschickten Verfolger gut genug im Auge, um nach etwa einer Zehntelstunde auch noch einen dritten auszumachen, der sich zu den anderen gesellt hatte. Als die drei sich dann trennten, um auszuschwärmen, ahnte er, daß ein Überfall unmittelbar bevorstand. An Rodraegs Mahnung denkend, keine unnötigen Zwischenfälle zu provozieren, beschloß er, den Bogen außen vor zu lassen und sich lediglich mit dem Degen zu verteidigen. Selbst wenn er darauf verzichtete, die Gauner zu erschießen, sondern sie nur zu Krüppeln machte, würden seine Zielfertigkeiten mit dem Bogen dennoch zu deutlich zu Tage treten.
    Er ging weiter, die Hand wie

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