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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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zufällig in der Nähe des Degengriffs. Er überquerte eine leicht schwankende Hängebrücke zwischen zwei künstlich errichteten Pfahlinseln, dann noch eine. Die Schatten blieben verschwunden. Aus einer mit einer Decke verhängten Haustür drang Frauengelächter und das Klirren von Tonschalen. Das Licht war fleckig und milchig, es schimmerte durch zwei Fenster im oberen Stockwerk, die nicht mit Glas, sondern mit durchscheinender Tierhaut verschlossen waren. Mehrere Brücken entfernt johlten zwei Betrunkene ein anzügliches Lied und drehten sich immer wieder um sich selbst. Das Wasser schlug gegen Planken und Stützsäulen, und blubberte dort, wo Unrat eingeleitet wurde.
    Hellas wartete. Das Gesicht dem Wasser und den Docks zugewandt, um einen Angriff zu provozieren. Als immer noch nichts geschah, machte er die typischen Bewegungen von einem, der sich den Hosenstall aufknöpft, um seine Blase ins Hafenbecken zu erleichtern.
    Da passierte es. Zwei sprangen von hinten auf ihn zu, der Dritte kam von der Seite hinter ein paar Fässern hervor, strauchelte aber über ein am Boden liegendes Seilstück und geriet aus dem Tritt. Hellas ließ den Degen stecken, machte einen schnellen Seitwärtsschritt, ließ den vordersten Angreifer halb an sich vorbeilaufen und versetzte ihm den Stoß, der noch nötig war, um den an der Kante Schwankenden ins schmutzige Wasser zu befördern. Der zweite bremste zwar rechtzeitig ab, wurde zu seiner Überraschung aber übergangslos von Hellas angegriffen. Hellas packte ihn – dieser Angreifer war noch ein Knabe -, wirbelte ihn am Kragen herum, hämmerte ihn rücklings gegen einen hohen Stützpfahl und trat ihm dann vor die Brust, so daß er noch mal gegen den Pfahl krachte und seitlich darum herumrutschte, sich festkrallend, um nicht ins darunter liegende Hafenbecken zu stürzen. Hellas duckte sich, und das mit Kies gefüllte Ledersäckchen, das der dritte Angreifer als Totschläger benutzte, zischte bösartig über seinem Kopf hinweg. Von seinem eigenen Schwung mitgerissen, konnte der halbwüchsige Dritte für einen Augenblick keine Deckung mehr aufbauen. Hellas schlug ihm mit der linken Faust zweimal hinter den Rippen auf die Nieren, fing den ächzend Stürzenden mit rechts ab und hebelte ihn auf den Rücken herum. Das Totschlagsäckchen lag plump und nutzlos auf den flechtenüberwucherten Bohlen. Hellas zog seinen Degen und drückte dem japsenden Jüngling die Spitze gegen den Kehlkopf. Mit seitlich gelegtem Kopf verfolgte er, wie der zweite Angreifer den Kampf mit dem eigenen Gleichgewicht verlor und langsam am Pfahl abwärts ins Wasser rutschte, wo schon der erste sich prustend an einem leckgeschlagenen Nachen festhielt.
    Â»Ich gebe euch jetzt mal einen Ratschlag fürs Leben«, sagte Hellas, der kaum außer Atem geraten war. »Greift niemals jemanden an, den ihr nicht einschätzen könnt, erst recht nicht einen, der erst achtundzwanzig Jahre alt ist, aber schon schlohweißes Haar hat. Ich könnte ein kranker, wahnsinniger Menschenquäler mit übermenschlichen Fähigkeiten sein, habt ihr euch das vorher nicht überlegt?«
    Â»Bbitte … nnicht töten … nicht töten …!«
    Â»Töten? Wer spricht denn vom Töten? Deine beiden Freunde nehmen lediglich ein Bad. Du bist ohne einen Kratzer. Und wir können davon ausgehen, daß du mit deinem Ledersäckchen lediglich eine Stechmücke vertreiben wolltest, die um meinen Kopf schwirrte, nicht wahr?«
    Â»Jjja«, stotterte der Junge verwirrt. Er schluckte, und die nur leicht aufliegende Degenspitze hüpfte auf seiner Kehle. »Wir wollten Euch nicht wirklich etwas tun. Ausrauben ja, das gebe ich zu, aber ein Schlag auf den Hinterkopf bringt einen nicht um, das …«
    Â»Ah, ah, ah, mach es nicht schlimmer, als es ohnehin schon ist«, ermahnte ihn Hellas. »Also: Wer seid ihr?«
    Für einen Moment stahl sich Trotz ins Gesicht des Jungen, Trotz und eine schmalere Form von Stolz. »Wir sind die Haie.«
    Hellas konnte ein Auflachen nicht unterdrücken. »Die Haie! Noch so ein paar Verirrte, die sich Tiernamen geben. Die Stichlinge wäre wohl passender. Seid ihr Wandrys gefährlichste Hafenbande, oder gibt es viele davon?«
    Â»Es … gibt nicht viele Banden wie uns. Manche Schiffsmannschaften von Freibeuterbooten sind wie Banden, aber auf dem Festland gibt es

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