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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Clegos in die fängermagische Walanlockung eingeweiht – in diesem Fall hinterging er die Königin und war möglicherweise sogar der Hauptverantwortliche für das ungesetzliche Geschehen -, oder aber er wußte von nichts und konnte deshalb zu einem wichtigen Verbündeten für das Mammut werden.
    Zu einem Verbündeten natürlich nur mit Unterstützung einer tatkräftig einschreitenden Stadtgarde – und eine solche gab es in Wandry nicht, wie Rodraeg feststellen mußte, als er vor dem ebenfalls winzig und bedeutungslos aussehenden Garnisonsgebäude ankam. Ganze zehn Gardisten taten hier Dienst, wie Rodraeg ernüchtert herausfand. In Aldava kamen auf 400000 Einwohner gut 8000 Gardisten, also auf jeweils fünfzig Einwohner ein Soldat. In Warchaim waren es bei 5000 Einwohnern immerhin noch an die fünfzig Gardisten, was einem Soldaten pro hundert Einwohnern entsprach. Das war auch schon nicht viel, das Aufzeigen echter Präsenz war da kaum möglich. Aber hier in Wandry kamen auf 4000 Einwohner nur zehn Gardisten. 400 Einwohner gegen einen Soldaten. Hier war überhaupt nichts aufhalt- oder auch nur eindämmbar. Wenn das Sturmhaus den Befehl zum Sturm gab, würden die königlichen Bestandteile Wandrys einfach mit der Flut davongespült, und zurück blieben nicht einmal Strandguttrümmer.
    Stav Clegos war also mehr oder weniger abgeschnitten vom hauptstädtischen Hinterland. Hatte er deshalb ein magisches Verbrechen initiiert, um sich an Königin Thada für seine schmähliche, weil unbeträchtliche Position zu rächen? Oder war es nicht tatsächlich viel wahrscheinlicher, daß er von nichts, was in dieser Stadt wirklich vorging, eine Ahnung hatte?
    Um das richtig einschätzen zu können, mußte Rodraeg ihn kennenlernen, und das nahm er sich für den morgigen Vormittag vor. Jetzt jedoch kehrte er in den Zimfinnering zurück und genehmigte sich einen tiefen, erholsamen Schlaf, ganz ohne Bestars Schnarchen und Hellas’ ruckartiges Zusammenzucken mitten in der Nacht.
    Bestar bewegte sich voller Geringschätzung durch Wandry. In seinem Heimatdorf Taggaran war es Sitte, die Küstenbewohner nicht zu mögen. Nicht, weil die Küstenbewohner den Waldbewohnern jemals irgend etwas zuleide getan hätten, sondern weil sie eben Küstenbewohner waren – Laichleger, die sich zwar auch Klippenwälder nannten, den Wald und die Inlandklippen jedoch nur vom Hörensagen kannten. In Taggaran lebte man mitten in den Klippenwäldern, nicht irgendwo am Rande des Geschehens, sondern in Schatten, Nadeln und Gefahr.
    Bestar machte niemandem Platz. Wenn ihm einer ebenso breitschultrig wie er entgegenkam, mußte der andere eben ausweichen, um nicht angerempelt oder sogar umgestoßen zu werden. Und sie wichen ihm alle aus, niemand hatte den Mumm, es mit einem echten Klippenwälder aufzunehmen. Weich wie Laich glitten sie seitlich an ihm vorüber, die Augen wie Hunde zu Boden gesenkt. Selbst die Waldbewohner, die es auf der Suche nach billigen Vergnügungen hierher verschlagen hatte, wurden, wenn sie Bestar sahen, von ihrem in ihnen schlummernden schlechten Gewissen dermaßen verwässert, daß auch sie die Gesichter abwandten und Platz machten. Alles war so würdelos, daß es Bestars Laune nicht verbesserte.
    Was sollte er auch tun hier? Es war schon dunkel, jeder dachte nur ans Saufen und Huren. Er selbst hatte 46 Taler bei sich, mehr als je zuvor in seinem Leben, aber er verdankte dieses Geld dem Mammut, und Rodraeg wäre sauer, wenn er ihn mit einem nackten Weib auf dem Schoß und einem überschäumenden Bierkrug in der Hand erwischen würde. Aber was erwartete Rodraeg? Daß er mitten in der Nacht etwas herausfand in einer Stadt, die ihm nicht nur vollkommen fremd, sondern die noch dazu überall schleimig, fischig, salzig und morschgefault war? Das konnte doch nicht wirklich Rodraegs Ernst sein.
    Irgendwann fand Bestar sich am äußersten Rand Wandrys wieder, schon mitten in der Bucht, von dunklem Meerwasser umgurgelt auf einem maroden Steg. Mit verschränkten Armen schaute er finster aufs Meer hinaus.
    Er dachte an die Wale, diese großartigen Riesenfische, von denen Selt Fremmender so eigenartige Dinge erzählt hatte – sie sollten singen können und mit ihren Schwanzflossen winken, bevor sie abtauchten. Sie würden zu Hunderten hierherschwimmen und abgeschlachtet werden von diesen Feiglingen,

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