Die letzten Worte des Wolfs
besitze noch drei Taler, aber damit komme ich hier nicht weit.«
»Gut. Du kriegst« â Rodraeg kramte in seinem Geldsäckchen â »zehn Taler. Ihr anderen habt in Warchaim euer Geld bekommen, verpraÃt nicht alles â ich habe keine Ahnung, wann der Kreis uns mit Nachschub bedenkt. Sucht euch gute Herbergen und eÃt gut â schlieÃlich müssen wir bei Kräften sein, wenn es hart auf hart kommt. Aber wenn ihr pleite seid, gibtâs erst mal nichts mehr.«
»Und wir dürfen uns auf keinen Fall mit jemandem anlegen?« fragte Bestar noch mal nach.
»Auf keinen Fall.«
»Auch nicht, wenn jemand uns dumm kommt?«
»Auch dann nicht. Haltet still und erstattet mir Bericht. Möglicherweise können wir ja hinterher noch etwas deichseln, um eure gekränkte Ehre wiederherzustellen. Also: Wann treffen wir uns?«
»Mittags und abends um sieben«, brummten wieder alle. In seiner Zeit als Lehrer in Hessely hatte Rodraeg sich so folgsame Schüler gewünscht.
»In Ordnung. Los jetzt.«
Sie gingen auf getrennten Wegen und jeder für sich nach Wandry hinein.
Die Stadt lag alles andere als still. Das Tagwerk der Fischer, Seeleute, Hafenarbeiter, Lagerpacker, Händler, Wäscherinnen, Segeltuch- und Netzflicker war zwar verrichtet, aber in den Schenken und Kaschemmen herrschte dennoch lautstarker Hochbetrieb. Schon von weitem fielen die zahlreichen roten Lampions ins Auge, die das Gewerbe der käuflichen Liebe anpriesen. Damen, die nicht nur aufgrund des sommerlichen Wetters lediglich leicht bekleidet waren, schlingerten lauernd um nordmännische Seeleute herum, die mit Ãxten und Schwertern bewaffnet breitbeinig durch die StraÃen streiften, um etwas zu erleben. Dazwischen zwängten sich Händler, die auf ihren Bauchladen SüÃwaren und Salzgebäck anboten. Ausrufer verkündeten gellend, in welcher Spelunke gerade eine Tänzerin die Hüllen fallen lieà oder wo der Wirt eine ganz bestimmte Branntweinsorte in der kommenden Stunde zum halben Preis ausschenkte.
Es gab auch ein nobleres Viertel von Wandry: ganz im Osten, am ländlichsten Rand, wo die Merkanten und Notare ihre Häuser und Kontore unterhielten. Dorthin wandte sich Rodraeg, weil er die Drahtzieher einer fängermagischen Stadtbereicherung am ehesten unter den Hochgestellten und ohnehin schon Wohlhabenden vermutete. AuÃerdem hatte er seine Gefährten eher Richtung Uferschlick geschickt, weshalb er der einzige war, der sich auf edlerem Festland umhören konnte.
Das Gasthaus, auf das seine Wahl fiel, nannte sich Zimfinnering und war eine zweistöckige gute Stube mit Gänsedaunenbetten und dem Duft von Schmalzgebackenem, der aus sämtlichen Dielenfugen aufstieg. Er nahm sich ein Einzelzimmer, legte dort alles ab, was er in der Stadt nicht benötigen würde, aà noch einen Teller Fischsuppe und mischte sich dann unter das lebhafte Nachtvolk, das den rötlich glimmenden Vergnügungsvierteln hinter der UferstraÃe zustrebte. Rodraeg setzte sich allerdings bald ab, nachdem er drei verschiedenen Bürgern dreimal dieselben Fragen gestellt hatte, und besichtigte â zumindest von auÃen â das Wandryer Rathaus und die städtische Gardegarnison.
Das Rathaus war so winzig, daà Rodraeg im Dunkeln zweimal daran vorbeiging, ohne es als solches zu erkennen. Der Bürgermeister hieà Stav Clegos und war â so viel konnte Rodraeg noch in dieser Nacht in Erfahrung bringen â kein Einheimischer, sondern ein Aldavaer, der von der Königin hierhergeschickt worden war, um sich um die Verwaltung und Nachrichtenweiterleitung Richtung Hauptstadt zu kümmern. Das Rathaus war also eigentlich ein Fremdkörper in dieser Stadt und diente eher formellen und repräsentativen als tagespolitischen Zwecken. Das eigentliche Rathaus war das sogenannte
Sturmhaus, wo der amtierende Stadtkapitän Yrmenlaf und seine Mannschaft mit den anderen Seefahrerfürsten dieses Viertels über Handel, Wandel und Wohlergehen der Seefahrt berieten und wo alle Fragen erörtert und beantwortet wurden, die für die Zukunft und Stellung Wandrys tatsächlich von Bedeutung waren. Das Sturmhaus stand auf dem Wasser in den vorgelagerten Pfahlvierteln, weshalb Rodraeg sich ein Aufsuchen für heute nacht ersparte. Immerhin glaubte er jedoch schon einen ersten Ansatzpunkt gefunden zu haben: Entweder war der fadenscheinige Bürgermeister Stav
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