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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ihm grabschenden Händen in Sicherheit bringen. Direkt neben der Bühne war nichts mehr los, von dort aus konnte man Die Geblendeten ja auch nicht sehen. Eljazokad tauchte aus einem Meer schweißnasser Leiber und tropfenversprühender Haare auf, zupfte sich die Kleidung und die eigenen Haare zurecht und pirschte sich am seitlichen Rand der Bühne entlang, bis er einen Blick hinter den flicken übersäten Vorhang werfen konnte, mit dem die Musikanten ihre Ausrüstung gegen das Publikum abschirmten. Hier hinten fand Eljazokad die Magie, und sie war ausgesprochen hübsch.
    Sie war Mitte zwanzig, hatte die sehr langen dunkelbraunen Haare zu einem Zopf zusammengebunden, hatte die Augen konzentriert geschlossen und dirigierte mit beiden Händen den Schall, der von den Instrumenten und dem Sänger ausging. Für das Publikum war die junge Frau nicht zu sehen, aber für Eljazokad stellte sie die eigentliche Attraktion dar. Er lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand und schaute ihr bei der Arbeit zu, ohne sie zu stören. Sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun, schaufelte Lautstärke nach links und nach rechts, verteilte kleine hallende Effekte mit zuckenden Fingern und verstärkte das Nachklingen bereits angeschlagener Saiten, indem sie den Schall zu sich heranwinkte und am Leben hielt. Sie beherrschte den ganzen für sie unsichtbaren Raum, tanzte hin und her im Wiegen des vor ihr gespielten Liedes und reicherte Die Geblendeten mit noch mal Geblendeten und dann noch mal einem dröhnenden Meeresrauschen oder dem irritierenden Stimmenflimmern eines Sommerhimmels an. Eljazokad fragte sich, ob sie blind war, weil sie so sehr im Hören aufging.
    Nach einer halben Stunde steigerte sich das Konzert dem Höhepunkt entgegen. Die Lautstärke wurde selbst hinter der Bühne ohrenbetäubend, ein tosender Strudel aus gezupften, geschlagenen und gehämmerten Tönen, dazwischen das Gebrüll des Sängers, der Reime durcheinanderhagelte. Weit, Leid, bereit, Scheit, Ewigkeit. Mitten im endgültigen Nachklang warf Eljazokad einen Lichtfunken nach vorne auf die Bühne, der die Musiker für einen Moment in gleißendes, dann in bläulich verzüngelndes Licht badete. Die Magierin schlug die Augen auf und sah ihn erstaunt an. Dann konzentrierte sie sich wieder und sog den Nachhall und das Begeisterungsgebrüll und -gepfeife der Leute mit ausgestreckten Armen in sich auf, um wenigstens einen Teil der Energie wieder zurückzuerhalten, die sie heute abend veräußert hatte. Es war zu Ende. Die Menge raste und applaudierte. Die Musiker rissen sich die bunten Binden von den Augen, schnappten sich Gefäße und hechteten von der Bühne, um aus der Flut der Zugeneigtheit ihre Münzen zu fischen.
    Die Magierin betrachtete den leise lächelnden Eljazokad. Große, sehende Augen. Sie war verschwitzt, ihr sommerlich dünnes Kleid gestattete einen tiefen Blick auf ihren feucht glänzenden Busen. Sie griff sich ein Stofftuch und wischte sich Gesicht und Arme damit ab. Dann kam sie mit wiegendem Schritt auf Eljazokad zu. »Du bist auch von der Zunft?« fragte sie ihn. Sie war fast ein wenig größer als er.
    Â»Na ja.« Eljazokad mußte fast schreien, um in dem Tumult überhaupt hörbar zu sein. »Ich könnte niemals so lange durchhalten wie du.«
    Â»Dafür kann ich nur Klang. Für Licht habe ich überhaupt kein Talent. Triffst du mich draußen am Wasser, in zehn Sandstrichen?«
    Â»Ausgesprochen gerne.«
    Â»Ich bin Ronith.«
    Â»Eljazokad.«
    Sie zog die Augenbrauen in die Höhe, beeindruckt von seinem Namen. Das hatte Eljazokad schon öfters erlebt, aber es war leider nur der Name, den seine Eltern ihm gegeben hatten, nicht der, den er sich als Magier gemacht hatte.
    Ronith wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und begann damit, ihre Hilfsmittel einzusammeln. Ein paar Steine, zwei kleine Zinntrichter, ein aus Zweigen geknüpftes Dreieck und etwas aus Horn, das wie das Mundstück einer Flöte aussah. Für einen Moment mußte Eljazokad an das seltsame Blasrohr des Blauhaarigen denken, aber der Gedanke verlosch wieder. Er stellte sich hinter den glücklich erschöpft nach draußen drängelnden Jugendlichen an, gelangte so aus der heißen, verbrauchten Scheunenluft ins nächtliche Freie und ging über den Strand ans gemächlich anschlagende Meer. Das Wasser war dunkel und

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