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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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unter den Füßen. Eljazokad zitterte, als ihnen beiden das Meer nur noch bis zum Nabel stand. Ronith kam auf ihn zu, umarmte ihn und hielt ihn fest. Ihre Brüste waren warm und weich und fest auf seiner Haut. Er streichelte ihre Haare und liebkoste sie. Sie stieß sich von ihm ab.
    Â»Hör mal, wenn das nur ein Trick von dir ist, um mich dir nahe zu bringen, finde ich das nicht lustig.«
    Â»Es ist kein Trick.« Eljazokad blickte wieder von ihr weg und hinaus. »Es ist eine Prophezeiung meines Vaters. Das Stadtschiff von Tengan wartet auf mich. Es ist immer dort, wo ich mich dem Meer nähere. Es zieht mich zur Küste. Ich will nicht und bin dennoch nicht in der Lage zu widerstehen. Als ich dich bat, mich zu berühren, wollte ich, daß du mich mit dem Land verbindest. Das hat funktioniert. Kennst du die Legende vom Stadtschiff?«
    Â»Ein riesiges Schiff mit zehn Decks und einhundert Masten. Aber es ist nur ein Märchen. Ein Schreckgespenst für Küstenkinder.«
    Â»Manchmal denke ich, daß das, was für andere Menschen nur ein Märchen oder ein Traum ist, für uns Magier unweigerlich wahr sein muß. Ronith – wenn es dort draußen ist, wenn es dort lauert hinter der Brandung: kannst du es hören? Du kannst doch die Lautstärke von Dingen erhöhen. Kannst du es für mich hörbar machen? Wenn es wirklich dort draußen ist?«
    Â»Wirf du doch ein Licht und entreiße es der Dunkelheit.«
    Â»So weit kann ich nicht werfen.«
    Â»Und ich nicht so weit hören, tut mir leid. Ich kann nur auf Gegenstände einwirken, die ich selbst vorher präpariert habe. Die Instrumente der Geblendeten sind über und über mit meinen Zeichen beschriftet.«
    Â»Und der Sänger?«
    Â»Der muß vor jedem Auftritt ein kompliziertes Atmungsritual mit mir durchführen. Er atmet von mir gesprochene Worte ein, füllt seine Lungen damit und bringt mit dieser Lungenluft seine Stimmbänder zum Schwingen. So kann ich ihn mir widmen, seinen Atem, seine Stimme, für ein paar Stunden. Nicht für immer. Und nur, wenn ich ihm nahe bin.«
    Eljazokad schauderte. Er ging neben ihr aus dem Wasser zum Strand, reichte ihr sein Hemd zum Abtrocknen, rieb sich selbst ab und zog sich an, die Weste und die Jacke über der bloßen Brust. Auch Ronith zwängte sich in ihr Kleid zurück und band sich ohne zu fragen mit Eljazokads Hemd die nassen Haare hoch.
    Unschlüssig stand er neben ihr, bis sie seine Hand faßte und ihn wieder dorthin führte, wo die Wellen sanfte Linien in den Sand zeichneten.
    Â»Setz dich hierhin«, beschied sie ihm.
    Â»Ich weiß nicht, ob ich nicht lieber vom Ufer weg möchte …«
    Â»Setz dich, ich möchte dir etwas zeigen. Vertrau mir.«
    Er setzte sich, sie sich ebenfalls, dicht neben ihn. Sie schloß die Augen.
    Â»Ich sage dir jetzt, was ich hören kann, wenn ich hinüberhorche über das Nur-Hörbare in das Unerhörte der Magie. Ich höre die Wellen, wie sie sich aufbauschen, wie sie zerbrechen, um wieder in sich selbst zurückzufließen. Sie befriedigen sich selbst, diese Wellen, das ist es, was ich höre.« Sie warf ihm einen schelmischen Seitenblick zu, dann wurde sie wieder ernst und schloß die Augen. Ihre Arme hoben sich, die schlanken Finger gestreckt.
    Â»Ich kann Fische hören, die unter Wasser rascheln, als glitten sie durch Papier. Tanggräser wiegen sich dort unten und atmen. Die in den Häfen vertäuten Boote zerren an ihren Leinen, um loszudürfen in das Nachtblau. Möwen sitzen schlafend auf Pollern und wenden träge die Köpfe, wenn unten ein Fischlein springt. Der Wind klingt nach Norden, nach Spuren vom Eismeer im Glutmeer. Ganz weit rechts klimpern Muschelschalen im Strandkies aneinander, vielleicht ist dort ein Hund oder ein leichter Mensch, der nach unserem Konzert spazierengeht. Tropfen von Sternenlicht fallen mit leisem Klang ins Meer und machen es salzig. Da ist kein riesenhaftes Schiff im Hintergrund. Nirgendwo. Da ist nur der Horizont, und der ist zur Hälfte leicht, zur Hälfte flüssig, aber immer biegsam und schweigsam.«
    Â»Kannst du Wale hören?«
    Â»Den Gesang von Walen? Den habe ich schon gehört, als ich noch ein Kind war, oben, in der Nähe von Breann. Hier höre ich ihn nicht.«
    Â»Kannst du … eine Magie spüren, die von Wandry ausgeht und sich in Richtung Meer erstreckt?«
    Wieder sah sie

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