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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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geheimnisvoll. Nach einer Viertelstunde kam Ronith über den Kiessand auf ihn zu, allein und ohne Gepäck. Vor dem Hintergrund der rötlich glimmenden Stadt zeichnete sie sich deutlich ab. Sie schlüpfte leichthin aus ihrem Kleid, warf es einfach auf den Strand, ging nackt an Eljazokad vorüber und stürzte sich ins Wasser. Prustend tauchte sie mit ausgebreiteten Armen wieder auf.
    Â»Herrlich!« rief sie. »Kommst du nicht auch?«
    Eljazokad brauchte deutlich länger zum Entkleiden. Er hatte zwar keine Waffe abzugürten, aber der Tuchbeutel, die schwarze Jacke, die schwarze Weste, das schwarze Hemd, die staubigen Schuhe und die schwarze Hose machten ihm große Umstände. Der Lendenschurz, den er unter der Hose trug, war weiß. Auch dieser Schurz landete im Sand, dann sprang der Magier ins erfrischende Nachtmeer, und Ronith und er umschwammen einander mit schlängelnden Bewegungen.
    Â»Wenn du dich mit uns zusammentätest«, begann die schöne Magierin, »könnten wir ein Spektakel bieten, wie es der Kontinent noch nicht gesehen hat. Deine Lichtzaubereien plus meine Klangvervielfachung plus die gar nicht mal so üblen Fingerfertigkeiten der vier Geblendeten ergäben etwas, womit man selbst in Aldava richtig abräumen könnte.«
    Â»Da die Musikanten bereits geblendet sind, könnte ich sie mit meinen Blitzen immerhin nicht aus dem Konzept bringen.
    Was hat dieser Auftritt mit den Augenbinden eigentlich zu bedeuten?«
    Â»Nichts. Das ist einfach nur etwas, womit wir uns von anderen Spielleuten abheben wollen. In Breann haben wir mal welche gesehen, die sich beim Auftritt mit Alkohol übergossen, anzündeten und mit bereitgestellten Wasserschläuchen wieder löschten. Das kam gut an beim Publikum, ist aber in überdachten Räumen viel zu gefährlich. Heutzutage braucht man etwas Wiedererkennbares, um sich gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können.«
    Â»Aber ist denn nicht der Klang, den du erzeugst, völlig einzigartig?«
    Â»Schon, aber wie soll man Klang in Worte fassen? Einer sagt dem anderen: Ich habe Spielmänner gehört, die klangen lauter und imponierender als alle anderen. Aber woran soll man das festmachen? Wie soll man das begreifen oder glauben können? Wenn es jedoch heißt: Ich habe die vier Blinden gesehen, und sie klangen großartig, dann merken sich die Leute das. Ah, die vier Blinden, von denen habe ich schon reden hören – und ihr Klang soll auch nicht schlecht sein.« Sie strahlte stolz. »Die Geblendeten gefällt mir gut. Das war Acennans Idee. Und ich kann dir sagen: Es war gar nicht so leicht für die Jungs, ihre Instrumente blind zu lernen.«
    Â»Acennan. Ist das der Sänger?«
    Â»Sänger, Texteschreiber, Melodienmacher. Anführer der Geblendeten. Hübschester Musikant nördlich von Gagezenath.«
    Â»Ist er dein … Mann?«
    Ronith lachte, so daß ihr ein wenig Wasser über die Unterlippe schwappte. Sie prustete es wieder hinaus. »Nein. Ich bin mit keinem von denen zusammen. Das sind doch noch Kinder. Ich wohne nicht mal in derselben Herberge wie sie, damit ich für ihre unangenehme und äußerst unreife Angewohnheit, die Einrichtung von Herbergszimmern zu zerlegen, nicht immer wieder geradestehen muß. Ich bin meine eigene Herrin, und ich schwimme, wohin ich will. Hast du Angst gehabt?«
    Â»Ich habe immer noch Angst, gerade jetzt, in diesem Augenblick. Berühre mich.«
    Ronith zögerte kurz, dann hielt sie sich mit einer Hand an seiner Schulter fest. Eljazokad blickte hinaus auf das unendliche Meer, mondglänzend und sterngesprenkelt. Die milde Brandungslinie vor ihnen irisierte wie eine sich immer wieder aufs neue überschlagende Silberkordel.
    Â»Wie weit sind wir vom Ufer weg?« fragte Eljazokad.
    Â»Ich schätze, vierzig Schritte. Warum?«
    Â»Das ist nicht weit, oder? Bis zehn Schritte konnte man sogar noch stehen. Und dennoch kann ich es fühlen.«
    Â»Was fühlen?« Sie betrachtete ihn besorgt.
    Â»Das Stadtschiff. Es will mich hinausziehen. Aber ich will nicht, ich will zurück an Land. Kommst du mit mir?«
    Â»Ja, ich komme mit. Es ist zwar wunderbar hier drinnen, und ich könnte noch stundenlang so herumplanschen, aber wenn du das Gefühl hast, hinausgesaugt zu werden, schwimmen wir wohl besser zum Strand zurück.«
    Schon nach wenigen kräftigen Kraulzügen erreichten sie wieder Grund

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