Die leuchtende Stadt
unter den durchscheinenden Sonnenkollektoren, und S’Cali verzeichnete jede reparaturbedürftige Einheit im Bordcomputer. Er umsteuerte die langen Kabel, die aus den Lichtfeldern hinunter in die dunkle Tiefe führten, bis hinab auf den Meeresgrund zu den Siedlungen der Neri. Diese Kabel verhinderten nicht nur, dass die Kollektorphalanx von den Meeresströmungen davongetragen wurde, sondern leiteten auch die aus dem Sonnenlicht gewonnene Energie zur Stadt.
»Verschwendet ihr nicht viel Sonnenenergie dadurch, dass die Kollektoren unter dem Wasserspiegel treiben?«, fragte Bandicut.
»Ja, wir verlieren tatsächlich Licht durch das Wasser«, gab S’Cali zur Antwort. »Das ist der Grund, warum diese Felder so groß sind. Sie unter der Wasseroberfläche treiben zu lassen, heißt auch, sie vor der Kraft der Wellen zu schützen – und natürlich auch vor Entdeckung.«
Nachdem sie ihre Inspektion beendet hatten, steuerte der Neri das Boot auf eine kleine Habitatkuppel zu, die an eines der größeren Lichtfelder grenzte. »Wenn ihr keine Einwände habt, wäre es meines Erachtens eine gute Idee, hier für die Nacht festzumachen«, schlug S’Cali vor. »Das hier ist eine der Habitatkuppeln für das Wartungspersonal.« Als sie auftauchten, wurde das Wasser um sie herum immer heller und lichter. Es war leuchtend hellblau – wie der Ozean in der Karibik, fand Bandicut –, blendete die Augen und war herzzerreißend schön.
Sobald sie angedockt hatten und das Boot gesichert war, folgten Bandicut und Antares S’Cali durch die Luftschleuse in die Habitatkuppel. Das Erste, was der Neri unternahm, kaum dass er das Boot verlassen hatte, war, eine Versorgungsleitung an sein Tauchboot anzukoppeln. Gibt es eine bessere Gelegenheit, verbrauchte Energie wieder aufzuladen?, dachte Bandicut bei sich. Gleich an der Quelle.
Antares sah sich um und sog prüfend die abgestandene Luft ein. Hier gab es kein Hangarbecken, nur eine Luftschleuse, an der die Tauchboote mit der eigenen Schleusenkammer andockten. Die Habitatkuppel war größtenteils transparent und nur sehr spartanisch möbliert. »Hier also bleiben die Wartungsteams während ihres Aufenthalts?«, fragte sie.
»Genau. Früher einmal haben sie von dieser Sphäre aus die Meeresoberfläche beobachtet. Und auch …« S’Cali stockte, suchte nach den richtigen Worten. Selbst in seiner Muttersprache war er sich nicht sicher, wie die Bezeichnung für das lautete, was er beschreiben wollte. »… die Löcher im Nachthimmel?«
»Astronomie?«, rief Bandicut entzückt aus. »Sie haben die Sternenbahnen am Himmel beobachtet?«
»Ja, genau, so ist es!« S’Cali spreizte die Schwimmhäute zwischen den Fingern. »Ich selbst weiß nur sehr wenig darüber.«
»Aber wie haben sie die Sterne aus dem Habitat heraus beobachten können?«, forschte Bandicut nach.
S’Cali deutete nach oben. »Es gibt dort oben einen Ort, so eine Art Luk. Der obere Teil der Kuppel kann sozusagen ausgefahren werden, und zwar bis über den Wasserspiegel.«
Golden leuchtete es in Antares’ Augen auf. »Könntest du … können wir nicht …«
Der Neri verzog den Mund zu einer Art Lächeln. »Möchtet ihr den Geruch der Luft meiner Welt schmecken? Dann mir nach!«
27
Dem Himmel so nah
Bandicut war sich sicher, sein Herz habe aufgehört zu schlagen, als er hinaustrat unter den weiten, blau und weiß gestreuten Himmel. Er musste die Augen zusammenkneifen, um sie vor der Leuchtkraft und Intensität der Sonne zu schützen. Er wusste genau, dass er so breit grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ihm war, als sei er schon seit hundert Jahren nicht mehr an der Meeresoberfläche gewesen; er war so erleichtert, dass er es nicht zu beschreiben vermochte. Nur einen Sekundenbruchteil später war ihm klar, dass ihm die Sonne nur deswegen so hell erschien, weil er sich schon an die Dunkelheit der Tiefsee gewöhnt hatte; denn eigentlich strahlte sie gar nicht so hell, hüllte sie doch tief am Horizont ihr Gesicht in sich verwirbelnde Wolkenstreifen.
///Das ist atemberaubend!
Nie zuvor habe ich unter der Weite des Himmels
gestanden und hinaufgesehen!
Jedenfalls nicht mit deinen Augen.///
Antares stand an Bandicuts Seite und ließ den Blick über das Wasser wandern. Er fühlte ihr Erstaunen, noch bevor er es in ihrem Gesicht las: Mit weit aufgerissenen Augen stand sie da, ihre Iriden dünne goldene Ringe um riesengroße schwarze Pupillen. Sie atmete tief und langsam durch, während sie die Aussicht bewunderte. »Ich habe
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