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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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auf ihrem Gebiet Einfluss besitzen. Aber wir erwarten auch, dass unsere Hälfte der Abmachung erfüllt wird. Wir erwarten, dass geliefert wird. Von unseren Freunden erwarten wir das besonders.« Eindeutiger, konkreter sollte Schulmann die Voraussetzungen für seinen Vorschlag weder an diesem Tag noch später jemals formulieren. Und was Alexis betrifft, so legte er sich überhaupt nicht fest, sondern bekundete durch sein Schweigen seine Sympathie. Und Schulmann, der so viel über ihn wusste, schien auch das zu verstehen, denn er fuhr in der Unterhaltung fort, als ob die Sache abgemacht und sie sich handelseinig geworden seien. »Vor ein paar Jahren hat eine Handvoll Palästinenser einen Mordswirbel bei uns in Israel gemacht«, begann er, als plauderte er wieder aus dem Nähkästchen. »Normalerweise handelt es sich um Dilettanten. Burschen vom Lande, die den Helden spielen wollen. Sie kommen heimlich über die Grenze, tauchen in einem Dorf unter, lassen ihre Bomben hochgehen und versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Wenn wir sie beim ersten Mal nicht erwischen, beim zweiten Mal bestimmt - falls es überhaupt dazu kommt. Aber die Männer, von denen ich jetzt spreche, waren anders. Sie wurden geführt. Sie wussten, wie sie vorzugehen hatten. Wie man sich Denunzianten vom Hals hält und seine Spuren verwischt, seine eigenen Vorkehrungen trifft und sich selbst Befehle gibt. Beim ersten Mal trafen sie einen Supermarkt in Beit Shéan. Beim zweiten Mal eine Schule, dann ein paar Siedlungen und dann wieder ein Geschäft, bis es langweilig wurde. Daraufhin fingen sie an, Soldaten von uns aus dem Hinterhalt zu überfallen, die per Anhalter auf Urlaub nach Hause fuhren. Mütter und Zeitungen schrieen Zeter und Mordio. Alle verlangten: ›Fasst diese Leute!‹ Wir hörten uns nach ihnen um, ließen überall an den entsprechenden Stellen durchblicken, dass wir gern Genaueres über sie erfahren würden. Wir entdeckten, dass sie von Höhlen im Jordan-Tal aus operierten. Sich dort verkrochen, von der Bevölkerung versorgt wurden. Trotzdem konnten wir sie nicht finden. Ihre Propaganda-Leute nannten sie die Helden des Kommandos Acht, aber das Kommando Acht kannten wir in- und auswendig. Kommando Acht hätte nicht mal ein Streichholz anzünden können, ohne dass wir lange genug im Voraus davon erfahren hätten. Brüder, hieß es dann. Ein Familienunternehmen. Ein Informant berichtete von dreien, einer von vieren. Auf jeden Fall aber Brüder, die von Jordanien aus operierten, was wir ja schon wussten. Wir stellten ein Team zusammen, setzten es drauf an, Leute, die wir Sayaret nennen, kleine Gruppen, Männer, die hart zuschlagen. Der Anführer der Palästinenser sei ein Einzelgänger, hörten wir, jemand, der keinem Menschen außerhalb seiner Familie Vertrauen schenken wolle. Offenbar von krankhaftem Misstrauen gegenüber arabischem Verrat erfüllt. Wir haben ihn nie gefunden. Seine beiden Brüder waren nicht so gerieben. Einer hatte eine Schwäche für ein Mädchen in Amman und lief beim Verlassen ihres Hauses in den Feuerstoß einer MP. Der zweite beging den Fehler, einen Freund in Sidon anzurufen und sich für ein Wochenende bei ihm anzusagen. Die Luftwaffe jagte seinen Wagen in die Luft, als er die Küstenstraße hinunterfuhr.« Alexis konnte ein gewisses Lächeln der Erregung nicht unterdrücken. »Nicht genug Draht«, murmelte er, was Schulmann jedoch geflissentlich überhörte.
    »Inzwischen wussten wir, wer sie waren - Bewohner der Westbank aus einem Dorf in der Nähe von Hebron, das vom Weinanbau lebte; Leute, die nach dem Krieg 67 geflohen waren. Es gab noch einen vierten Bruder, doch der war zu jung zum Kämpfen, selbst für palästinensische Begriffe. Es gab auch noch zwei Schwestern, doch eine davon war bei einem Vergeltungsangriff umgekommen, den wir südlich des Litani-Flusses fliegen mussten. So konnte von einer Armee eigentlich nicht mehr die Rede sein. Trotzdem suchten wir weiter nach unserem Mann. Wir gingen davon aus, dass er Verstärkung sammeln und wieder gegen uns losschlagen würde, aber er tat es nicht. Er hörte auf, auf diesem Gebiet etwas zu machen. Sechs Monate vergingen. Ein Jahr. Wir sagten uns: Vergessen wir ihn. Höchstwahrscheinlich haben ihn die eigenen Leute umgelegt, was normal ist. Wir hörten, die Syrer hätten ihm die Hölle heiß gemacht; möglich also, dass er nicht mehr lebte. Doch vor ein paar Monaten kam uns gerüchteweise zu Ohren, er sei nach Europa gegangen. Hierher. Habe sich ein Team

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