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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Er warf einen Blick in die kleinen Boutiquen, die handgestickte arabische Kaftans und arabische Kunst feilboten, deren Echtheit von den Ladenbesitzern garantiert wurde; er lauschte dem harmlosen Geschwätz der Touristen, atmete ihre kostbaren Parfüms ein und hörte, wie sie - freilich unter Wahrung kameradschaftlicher Höflichkeit - sich über die Qualität des nach New Yorker Art zerlegten Ochsenfleischs ausließen, das irgendwie eben doch nicht ganz so gut schmeckte wie daheim. Und er verbrachte einen ganzen Nachmittag im Holocaust-Museum, tief bekümmert beim Anblick der Fotos von Kindern, die jetzt etwa in seinem Alter sein würden, wenn sie überlebt hätten.
    Nachdem er all dies gehört hatte, brach Kurtz Beckers Urlaub ab und schickte ihn zurück an die Arbeit. Stell fest, um was es in Freiburg geht, sagte er zu ihm. Kämm die Bibliotheken und unsere Unterlagen durch. Stell fest, wen wir dort kennen, verschaff dir einen Plan von der Universität. Besorg dir Architektenzeichnungen und Stadtpläne. Stell alles zusammen, was wir wissen müssen, und vervielfältige es. Ablieferungstermin: gestern.
    Ein guter Kämpfer ist nie normal, erklärte Kurtz Elli, um sich zu trösten. Wenn er nicht ein ausgemachter Dummkopf ist, denkt er zuviel nach.
    Insgeheim konnte Kurtz sich nur wundern, wie tief sein noch nicht heimgeholtes Lämmchen ihn nach wie vor erzürnen konnte.

Kapitel 23

    Dies war der Tiefpunkt. Es war das schlimmste Loch, das sie in ihren vielen Leben bisher erlebt hatte, ein Ort, den sie vergessen wollte, noch während sie da war, ihr Scheiß-Internat, zu dem auch noch Scheiß-Chauvis kamen, ein Wochenend-Seminar irgendwo draußen in der Wüste, wo aber mit scharfer Munition gespielt wurde. Der ramponierte Traum von Palästina lag eine fünf Stunden lange, knochenschindende Autofahrt jenseits der Berge, und an seiner Stelle hatten sie dieses schäbige kleine Fort, das aussah wie die Kulisse zur Neuverfilmung eines Ritterromans, mit Zinnen aus gelbem Stein, einer steinernen Treppe, deren eine Seite durch Bomben halb weggerissen war, und einem von Sandsäcken geschützten Haupttor mit einer Fahnenstange darauf, deren ausgefaserte Schnüre, an denen nie eine Fahne befestigt wurde, im schneidenden Wind knallten. Soweit sie wusste, schlief kein Mensch in diesem Fort. Es diente der Verwaltung und für Besprechungen sowie dreimal täglich Hammel und Reis; und für die großmäuligen, bis nach Mitternacht dauernden Gruppendiskussionen, bei denen die Ostdeutschen kein gutes Haar an den Westdeutschen ließen, die Kubaner an niemand ein gutes Haar ließen und ein amerikanischer Zombie, der sich Abdul nannte, ein Referat von zwanzig Seiten darüber verlas, wie man von einem Tag auf den anderen den Weltfrieden erreichen könne.
    Ihre zweite Begegnungsstätte war ein Kleinkaliber-Schießstand, diesmal kein ausgedienter Steinbruch oben auf einer Hügelkuppe, sondern eine alte Baracke mit verrammelten Fenstern, einer Reihe von Glühbirnen, die an den Eisenträgern montiert waren, und lecken Sandsäcken an den Wänden. Ihre Ziele waren auch nicht ausrangierte Benzinkanister, sondern furchtbar aussehende, lebensgroße Pappkameraden von amerikanischen Marine-Infanteristen mit schaurigen Fratzen, aufgepflanztem Bajonett und dicken Lagen klebenden braunen Papiers an den Füßen, um die Löcher zu flicken, wenn man auf die Kerle geschossen hatte. Der Schießstand war dauernd mit Beschlag belegt, sogar noch mitten in der Nacht; hier wurde großspurig gelacht oder auch gestöhnt, wenn es bei den Wettkämpfen Enttäuschungen gab. Eines Tages kam ein großer Kämpfer, irgendein VIP der Terroristenszene, im Volvo mit Chauffeur vorgefahren; die Baracke musste geräumt werden, solange er schoss. Ein andermal platzte eine Gruppe außerordentlich wilder Schwarzer herein, als Charlies Gruppe gerade Unterricht hatte, feuerte ein Magazin nach dem anderen ab, ohne sich nur im geringsten um den jungen Ostdeutschen zu kümmern, der Charlies Gruppe anführte. »Na, zufrieden, whitey ?« schrie jemand mit volltönendem südafrikanischen Tonfall über die Schulter hinweg.
    »Bitte - oh ja - sehr gut«, sagte der Ostdeutsche, den diese Diskriminierung völlig umschmiss.
    Sie schütteten sich aus vor Lachen, als sie großspurig abschoben, und ließen die Pappkameraden der Marine-Infanteristen völlig durchlöchert zurück, so dass die Mädchen am nächsten Tag die erste Stunde damit zubrachten, sie von Kopf bis Fuß wieder

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