Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
Töne, die sie spielte, wurden immer sehnsüchtiger.
„ Was tut Ihr hier?“
Crystals Finger verharrten zögernd über den Saiten und ihr Lied endete abrupt. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder in die Wirklichkeit zurückfand. Lucianus Stimme schnitt in ihr Bewusstsein wie ein Messer und Crystal zuckte zusammen. Sie hatte nicht gewusst, dass sie etwas Falsches tat, doch sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er das, was sie getan hatte, für falsch hielt. Crystal hatte ihn nicht kommen gehört, so sehr war sie in ihr Lied vertieft gewesen.
„ Crystal versucht Corus zu rufen“, erklärte Dawn. Ihr schienen solche Skrupel fremd zu sein, denn sie funkelte den Mann, der sich drohend über ihnen aufgebaut hatte, wütend an.
„ Das höre ich. Doch warum?“
„ Warum? Weil er dort draußen und ganz alleine ist.“ Dawns Stimme überschlug sich beinahe und Crystal konnte die Sorge um ihren Freund aus ihren Worten hören.
„ Ich habe mich wohl getäuscht“, meinte Lucianus an die Bardin gewandt. „Ich dachte Ihr respektiert den Wald und seine Gesetze. Ich habe Euch hier willkommen geheißen und Ihr setzt euch über meine Wünsche hinweg.“
„ Wie, bitte schön, können ein paar Bäume Gesetz sein? Ist es tatsächlich Euer Wunsch, dass Corus im Wald stirbt?“
„ Im Gegenteil. Mein Wunsch ist es ihn zu schützen.“
Dawn schnaubte ungläubig und Crystal schaute unglücklich von einem zum Anderen. „Es tut mir leid, wenn ich Euch verärgert habe. Ich wollte nichts böses, doch Corus ist ein Freund. Wir können ihn doch nicht zurücklassen.“
Lucianus musterte sie prüfend. „Ich muss Euch bitten in Zukunft solche Torheiten zu unterlassen. Der Wald selbst entscheidet, wer einen Grund hat hier zu sein. Ich hoffe, dass ich rechtzeitig gekommen bin und dass kein Schaden entstanden ist.“
„ Wie könnt Ihr so etwas sagen?“, begehrte Dawn auf. „Ihr wisst wohl nicht, wie es ist wenn man sich um jemanden sorgt. Vermutlich ist Euer Herz zu Eis erstarrt, so kalt wie Ihr seid.“ Sie sprang bei diesen Worten auf und lief zurück in Richtung ihrer Hütte. Crystal sah wie sich die Mine des Halbelfen verzog, als litte er große Schmerzen. Einen Moment später hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er blickte Dawn hinterher und Crystal schaffte es nicht, den Blick von ihm zu wenden. Der Eindruck, dass er ihr überlegen war an Wissen und Verstehen überschwemmte sie und wieder wallte das tiefe Gefühl der Ehrfurcht in ihr auf, das sie gehabt hatte, als sie zum ersten Mal die Halbelfen gesehen hatte. Ein Gefühl, als würde man aufs Meer schauen oder die Silhouette eines Berges im Gegenlicht sehen. Doch dann dachte sie an seine Reaktion auf ihr Lied. Er hielt es tatsächlich für möglich, dass sie mit ihrer Musik jemanden rufen konnte der vielleicht Meilenweit entfernt war, begriff sie und mit einem Mal fühlte sie sich nicht mehr ganz so klein und unbedeutend.
„ Euer Freund scheint sich gut hier einzuleben“, meinte er unvermittelt und Crystal wusste im ersten Moment nicht, was er meinte. Doch dann sah sie Thistle in Begleitung Nadjadiras auf die Lichtung treten und nickte schwach.
„ Nun, wenigstens Einer“, meinte Lucianus und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung. Crystal blickte ihm irritiert hinterher.
Thistle dachte über die Worte der Halbelfe nach. Er hatte sie gefragt, ob sie wusste aus welchem Grund der Wald ihn gerufen hatte und sie hatte gemeint, dass er mit Crystal reden sollte. Was hatte sie damit zu tun? Als er sich umblickte stellte er fest, dass ihm der Falke heute Morgen nicht folgte. Er fühlte sich durch seine Anwesenheit seltsam beunruhigt. Lächelnd dachte er, dass seine Mutter Recht gehabt hatte: der Mensch konnte sich wirklich erstaunlich schnell an die äußeren Umstände anpassen. Thistle entdeckte Crystal die mitten auf der Lichtung im Gras saß. Sie hielt die Harfe in Händen und schaute Lucianus nach, der sich gerade von ihr entfernte. Thistle nickte Nadjadira rasch zu und schlenderte dann zu Crystal hinüber. „Guten Morgen.“
Crystal wandte sich zu ihm um als er sich neben ihr auf den Boden setzte.
„ Du wirkst wie ein Vogeljunges, Crystal“, grinste Thistle. „Kannst du versuchen weniger bedauernswert auszusehen?“
„ Ich kann mir Mühe geben“, meinte sie mit schwachem Lächeln. „Doch ich mache mir Sorgen um Corus und offen gestanden auch um Dawn.“
Thistle blickte überrascht auf. „Ihr Schwert…“, begann er,
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