Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
nicht?“
„ Eine berechtigte, würde ich meinen! Schließlich hast du ihretwegen die Reise unternommen und jetzt, anstatt bei ihr zu bleiben, ziehst du Richtung Sümpfe.“
Lucthen nickte. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
„ Ist es, weil du dich für mich verantwortlich fühlst und du Angst hattest, dass ich es allein nicht schaffen würde?“
Beim Licht! Er hätte es sich denken können, dass Crystal einmal mehr bereit war, die ganze Schuld auf sich zu nehmen. „Das ist es nicht.“
Für einige Augenblicke herrschte Stille und nur das Geräusch ihrer Schritte auf dem Waldboden, das Atmen der Pferde und das Rauschen des Windes waren zu hören.
„ Du wirst also in die östlichen Wälder zurückkehren?“
„ Ich weiß es nicht. Das alles ist nicht so einfach.“
„ Du liebst sie, Lucthen und sie liebt dich. Ich weiß nicht, aber ich finde es denkbar einfach.“
Kurz schloss er die Augen und versuchte den Schmerz zu unterdrücken, der bei ihren Worten in ihm aufgestiegen war.
„ Es tut mir leid, Lucthen. Ich hätte das nicht sagen sollen.“ Crystal schaute ihn schuldbewusst an und Lucthen dachte resigniert, dass er sein Minenspiel wohl doch nicht so gut unter Kontrolle hatte, wie er immer geglaubt hatte.
„ Ich wusste, dass ich wieder wegziehen würde. Hätte ich ihr den Hof machen und sie dann nach ein paar Tagen wieder verlassen sollen?“
Crystal schüttelte den Kopf. „Es ist also doch meinetwegen.“
Lucthen blieb ruckartig stehen und packte Crystal an den Schultern, drehte sie herum und zwang sie ihn anzusehen. „Ich weiß, wie die Worte der Prophezeiung lauten und dass da nicht von einem Magus die Rede ist. Dennoch fühle ich ganz deutlich, dass ich dorthin gehen musst. Ebenso wie Thistle und, so wenig mir das auch gefällt, Dawn. Ich weiß nicht warum, doch es gibt einen Grund dafür, dass wir alle gemeinsam aufgebrochen sind. Und ich fürchte, dieser Grund liegt noch weit hinter den Sümpfen.“
Crystal war bei seinen letzten Worten blass geworden und Lucthen verfluchte sich im Stillen für seine Unachtsamkeit.
„ Wie meinst du das?“
„ Ich weiß auch nicht. Doch ich habe nicht das Gefühl, als ob wir uns in ein paar Tagen von Thistle verabschieden würden, ich habe nicht das Gefühl, als ob ich bald wieder unterrichten würde und ich habe nicht das Gefühl, dass du so bald wieder zur Burg zurückkehren wirst. Vielleicht bin ich verrückt, ich weiß nicht.“
„ Ich fühle es auch“, gestand Crystal.
Lucthen stockte. Crystal einen Vortrag zu halten, war etwas ganz anderes, als einfach so seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu bekommen. Sie wussten es. Sie wussten es alle. Bisher hatte es nur noch niemand ausgesprochen: Die Sümpfe waren ein Anfang, kein Ende.
Thistle spähte zwischen den Blättern hindurch und sah den Falken auf einem Ast sitzen. Er war nicht weit voraus geflogen. Es war früher Nachmittag und sie waren an diesem Tag nicht gut vorangekommen, weil Crystals Pferd gelahmt hatte und Thistle wollte nun unbedingt die letzten hellen Stunden ausnutzen. Er hatte sich angewöhnt, Dawns Gejammer als Maßstab zu betrachten, ob er den Anderen zuviel zumutete, oder nicht. Ihm selbst machte es nichts aus stundenlang über den weichen Waldboden zu laufen, Crystal würde nie auf die Idee kommen sich zu beschweren und Lucthen war zäher als er aussah.
Als der Falke schrie, schenkte ihm Thistle zuerst keine Beachtung. Vermutlich hat er eine Maus entdeckt, dachte er. Doch dann flog das Tier auf ihn zu und als Thistle unwillkürlich den Arm hob um sein Gesicht zu schützen, landete das Tier auf seinem ungeschützten Unterarm. Thistle atmete scharf ein als sich die Krallen in sein Fleisch bohrten, unterdrückte den Impuls den Arm zurückzureißen und hielt ihn ruhig. Verwundert blickte er den Falken an. Er hatte sein Gefieder leicht aufgeplustert und Thistle konnte sehen, dass er zitterte. Der Vogel hatte Angst, begriff er. Thistle nickte und im nächsten Moment flog das Tier auf. Wie seltsam. Rasch drehte sich Thistle zu seinen Kameraden um und bedeutete ihnen ruhig zu sein.
Crystal hob fragend die Brauen und Lucthen spannte sich augenblicklich an.
„ Bleibt hier und seid leise“, formte Thistle überdeutlich mit den Lippen. Der Magus nickte zum Zeichen, das er verstanden hatte und Thistle schlich sich geduckt in die Richtung weiter, in die der Falke geflogen war. Vorhin war er nicht besonders aufmerksam gewesen, sondern in seine Gedanken versunken.
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