Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
dass das einfach nur ein Traum gewesen war, der nichts zu bedeuten hatte, oder davor, dass sein Freund ihm Recht gab. Doch nun hatte er Hawk und Thorn gebeten voranzugehen und ihre Sippen zu vertrösten. Also sollte er besser sagen, was er zu sagen hatte und seinen Freund nicht länger von seiner Verlobten fernhalten. Den Traum laut aussprechen schien ihm lächerlich, doch Forest hörte schweigend zu und als er geendet hatte, meinte dieser: „Ich bin kein Druide, Thistle, doch für mich klingt das, als solltest du in die östlichen Wälder ziehen.“ Thistle nickte langsam. Er hatte nie daran gezweifelt. Dennoch war es gut zu hören, dass er einen Verbündeten hatte, wenn er diese Nachricht seiner Mutter überbrachte. Sie würde von der Aussicht, ihren Sohn gleich wieder ziehen zu lassen, alles andere als begeistert sein. „Dennoch ist es eigenartig. Du bist zu alt und du bist ein Jäger.“ Thistle konnte erkennen, dass sein Freund die Stirn gerunzelt hatte und offenbar angestrengt nachdachte. „Außerdem bist in deinem Traum nicht du in die Wälder gegangen, sondern dein Blut. Ich will dich nicht beunruhigen, aber irgendwie kommt mir das wie ein schlechtes Ohmen vor. Bist du sicher, dass du gehen willst?“ Thistle nickte und Forest seufzte. „Du könntest ein ruhiges Leben haben. Heiraten… Kinder… Hat dir nicht die kleine Ivy aus meiner Sippe gefallen, bevor wir zu den Sümpfen aufgebrochen sind? Wer weiß, wohin dich dieser Weg führen wird?“
Thistle zuckte mit den Schultern. „Ich bestimmt nicht. Doch ich glaube, in diesen Dingen haben wir weniger Mitspracherecht, als wir im Allgemeinen glauben. Oder glauben wollen. Wenn man gerufen wird, geht man. So einfach ist das.“
Forest musterte seinen Freund aufmerksam. Es war deutlich genug, dass es ihm ernst war. „Vielleicht solltest du deiner Sippe die Einzelheiten des Traums vorenthalten.“
Thistle nickte ernst. „Ich glaube auch, dass er Mutter beunruhigen würde. An Lobelia möchte ich dabei lieber nicht denken.“
„ Es wird ihr das Herz brechen, wenn du wieder fort gehst“, erklärte Forest. „Besser, du bereitest dich geistig schon mal auf das Gespräch vor“, setzte er hinzu als er Thistles gequälte Miene sah. Als die Geräusche, die vom Dorf zu ihnen drangen, verstummten, spannten sich Beide unwillkürlich an. Und dann, ganz leise, hörten sie den Klang einer Harfe und eine glockenreine Frauenstimme, die ihnen ein Willkommen sang.
Zum ersten Mal an diesem Abend war Dawn froh darüber, einen Rock anzuhaben. Ihre Lederhosen hätten ihr nach dem üppigen Mahl sicher nicht mehr gepasst. Sie schleckte ihre fettigen Finger ab und grinste zufrieden. Unweit von ihnen spielte ein Mann auf einer Fidel und mehrere Paare tanzten miteinander. Dawn konnte sie lachen hören und beobachtete sie neugierig.
„ Willst du tanzen?“, fragte Corus.
Dawn schüttelte den Kopf. „Ich habe viel zu viel gegessen, um mich bewegen zu können.“
Corus zuckte die Schultern und setzte sich wieder neben sie.
„ Ich tanze mit dir.“
Corus blinzelte sichtlich überrascht und starrte Rose einen Moment lang an, als würde er sie zum ersten Mal sehen, dann grinste er und griff nach ihrer Hand. Dawn beobachtete träge, wie sich die Beiden unter die anderen Paare mischten. Corus bewegte sich ein wenig unbeholfen und trat Rose auf den Fuß. Diese lachte jedoch nur gutgelaunt und nachdem sie eine Weile getanzt hatten, wurden Corus’ Bewegungen sicherer und er wirbelte Rose im Kreis herum. Der junge Mann wirkte glücklich, stellte Dawn erstaunt fest. Er schloss normalerweise nicht schnell Freundschaften und in der Zeit, in der sie ihn kannte, hatte er sich nie besonders für Mädchen interessiert. Meistens lief er rot an, stotterte oder warf irgendetwas um, wenn ihn eines ansprach. Doch in der Gesellschaft von Rose schien er sich wohl zu fühlen. Sie war hübsch, das musste Dawn zugeben. Schwarze Rabenfedern glänzten in ihrem braunen Haar und verliehen ihr ein eigenwilliges Aussehen. Ihre Augen waren waldfarben, eine Mischung aus grün und braun. Als die Beiden nach dem ersten Tanz nicht zurückkamen, wurde Dawn ungeduldig. Lucthen hatte sich zu dem Druiden gesellt und Crystal unterhielt sich mit ihrer Gastgeberin. Plötzlich fühlte sich die Gauklerin ausgeschlossen. Sicher, sie könnte zu Lucthen und dem Druiden gehen, doch die Beiden unterhielten sich bestimmt über entsetzlich langweilige Dinge, wie die Geschichte des Dorfes oder die Magie der Druiden.
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