Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
Tiefe. Noch eine übrig. Thistle beschloss, dass es Zeit war zu gehen. Er lief geduckt über die letzte Brücke und bezog vor einer anderen Hütte erneut Stellung. Der Rauch wurde immer dichter und Thistle konnte nun kaum noch etwas erkennen. Der Beschuss mit den brennenden Pfeilen hatte aufgehört. Vielleicht waren die Fort`mai alle tot. Vielleicht waren sie geflohen. Ängstlich begriff Thistle, das sie jetzt nicht mehr die größte Bedrohung darstellten, sondern das Feuer. Wenn sie ihm nicht Herr werden würden, würde ein großer Teil des Waldes abbrennen. Und wo sollten sie dann hin? Noch während Thistle überlegte, was er jetzt tun sollte, hörte das Prasseln der Flammen schlagartig auf. Die folgende Stille war unheimlich. Was war passiert? Thistle verließ seine Deckung um besser erkennen zu können, was vor sich ging. Was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Die Flammen waren noch da, doch sie bewegten sich nicht, als hätte sie jemand eingefroren? Thistle sah, dass dieses Wunder sich nur auf einen kleinen Bereich erstreckte, hörte jetzt auch das ferne Prasseln von Feuer, doch das Dorf war nun nicht mehr bedroht. Er atmete erleichtert auf.
Um sie herum flohen die Menschen in Panik. Crystal blinzelte. Die Tränen wollten nicht aufhören, aus ihren Augen zu quellen. Vielleicht schützten sich ihre Augen so vor der beißenden Hitze rings herum. Ihr Herz raste, dennoch versuchte sie ruhig zu bleiben. Nur nicht darüber nachdenken, was die Fort`mai hier wollen, sagte sie sich. Später, später. Jetzt zählt nur, möglichst viele in Sicherheit zu bringen. Sie hielt sich ein nasses Tuch vor den Mund um in dem Rauch atmen zu können und lief zurück ins Dorf. Den Gedanken daran, was sie tun würde, wenn ein Fort`mai sich ihr in den Weg stellte schob sie weit von sich. Die Dorfbewohner hatten eine Kette gebildet und reichten Eimer Wasser weiter. Crystal schlüpfte zwischen ihnen hindurch. Sie wischte sich mit dem nassen Tuch übers Gesicht. Die Hitze brachte ihre Haut zum Glühen. Wie tausend Nadeln, die sich in die Haut bohren. Doch sie ignorierte die Schmerzen und lief weiter. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr und dann hörte sie auch ein leises Stöhnen. Ein Mann lag dort am Boden. Die herabstürzenden Teile einer Hütte hatten ihn unter sich begraben. Crystals Atem stockte. Der Mann lag in seinem eigenen Blut. Sie wusste nicht ob sie ihm würde helfen können. Als sie ihn erreicht hatte kniete sie neben ihm nieder. „Ruhig. Es wird alles gut. Ich bin da“, redete sie auf den Mann ein. Mit erstaunlicher Kraft packte er ihren Arm und zwang sie, ihn anzusehen. „Wir müssen den Balken hochheben“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Crystal nickte. Der Balken lag quer über seinen Oberschenkeln. Crystal ließ das Tuch achtlos zu Boden fallen, dann setzte sie sich, klemmte ihre Schultern unter das Holz und wurde vor Schmerz fast ohnmächtig. Das Holz glühte und sendete Hitzewellen in ihren Körper aus. Crystal schluckte hart, dann stemmte sie sich mit ganzer Kraft nach oben. Der Balken bewegte sich nicht! Schmerz und Wut raubten ihr den Atem und Crystal sackte in sich zusammen. „Noch einmal“, bat eine dünne Stimme. Crystal konnte sich dem Klang seiner Stimme nicht verschließen. Entschlossen versuchte sie es wieder. Sie stemmte ihre Füße fest in den Boden und plötzlich gab der Balken nach. Crystal warf dem Mann einen Blick zu, der sagen sollte: mach schnell, ich kann das nicht lange halten. Sie hatte keine Kraft, diese Worte zu formulieren. Doch der Mann schien sie zu verstehen. Als er seine Beine herausgezogen hatte, ließ Crystal erleichtert das Gewicht zu Boden fallen. Ein Blick auf ihre Schulter zeigte ihr, dass ihr Nachthemd verbrannt war, wo der Balken gelegen hatte und das Fleisch darunter… Crystal taumelte. Sie hatte das Gefühl am Rand eines Abgrundes zu stehen und ein Schritt in die falsche Richtung wäre ihr sicherer Tod. Entschlossen trat sie einen Schritt zurück. Nahm ihren Blick von ihrer Schulter und konnte wieder atmen. Sie wandte sich dem Mann zu, der auf dem Boden lag. „Wir müssen von hier weg!“, meinte sie drängend. „Können Sie gehen, wenn Sie sich auf mich stützen?“
Der Mann warf einen verzweifelten Blick auf seine Beine, doch dann nickte er entschlossen. Crystal nickte ihm zu. Wie tapfer! Seine Schmerzen mussten noch viel schlimmer sein, als ihre. Crystal fasste ihn am Arm und zog ihn mit einem Ruck hoch. Sie zuckte
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