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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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sich.
    »So eine Unverschämtheit«, fluchte Luzinde, sobald sie den armen Fischlein auf den Karren gezogen hatten und nach Hirschau hineinrollten. »Das Geld wandert direkt in seine Tasche! Von wegen Torpfennig. Und du wolltest es gleich bezahlen!«
    »Ich hab Geld genug«, erwiderte Gottschalk mit Blick auf
Fischlein, »aber nur eine Nos, die man mir brechen kan. Und nur einen Knecht.«
    »Aber Fischlein hat doch nur versucht, dich zu verteidigen!«, ereiferte sich Luzinde, der die Angst noch in den Gliedern steckte. »Was die Leute machen, ist so ungerecht! Dieser Kerl fordert einfach so Geld von dir und verprügelt dich, wenn du nicht zahlst. Fischlein hat doch noch nicht einmal zugeschlagen! Und du lässt ihn einfach damit durchkommen?«
    »Er is meglicherweise nit im Recht. Aber er hat die Macht, uns Schwierigkeiten ze machen, weißt? Und zwei Pfennik sind’s nit wert, sich dafir totschlaken ze lassen.«
    Luzinde verstummte und hielt den stöhnenden Fischlein fest. Sie hatte immer gedacht, die Juden seien des Königs, und daher würde es niemand wagen, sie anzurühren. Doch das Gegenteil war der Fall – da sie des Königs waren, unterstanden sie meist nicht dem Schutz der Städte und Fürsten vor Ort, so dass Hilfe fern war. Und trotzdem konnte sie es kaum ertragen, wie widerspruchslos der reiche Händler Gottschalk selbst die willkürlichen Schikanen eines kleinen Büttels hinnahm. Ihr kam der Verdacht, dass der Alte ein wenig feige war. Ganz im Gegenteil zu dem wackeren Knecht.
    Sie brachten den armen Fischlein zu einem Heiler und zahlten mit gutem Geld. Der Knecht entschuldigte sich vielfach dafür, dass er nicht gehorcht hatte, doch Gottschalk verzieh ihm. »Hast’s nur gut gemeint.« Dort ließ der Alte den Knecht zurück, mit dem Auftrag, nach Nürnberg zurückzukehren, sobald er gehen könnte. Mit gebrochenem Arm war er ihnen auf der Reise mehr hinderlich als von Nutzen. Luzindes Eingeweide zogen sich zusammen, wenn sie daran dachte, ohne Schutz durch das Land zu ziehen. Doch Gottschalk beruhigte sie. »Nach Behmen fahren file Leit, Luzinde. Wo Gold is, da find sich Schutz. Wirst schon seen.«

    Im letzten Licht des Tages fanden sie sogar noch ein Zimmer in einem Gasthof in der Nähe des Dorfplatzes. Als Luzinde dem völlig erschöpften Alten am Abend die Stiefel und Beinkleider auszog, da hatte er auf jeder Backe dunkel angelaufene Blutergüsse, die sehr schmerzhaft sein mussten. Stumm badete sie ihm die Wunden und beschloss, ein Leinentuch zuzunähen und mit Stroh zu füllen, damit das Kissen ihn am nächsten Tag zusätzlich zu der Decke, auf der er saß, schützen konnte. Sie trug eine Salbe mit Arnika und Johanniskrautextrakt auf, die Rahel ihnen vorausschauend eingepackt hatte. Nach einem Stündchen Ruhe bestand Gottschalk gar wieder darauf, im Gastraum zu speisen, wo ihnen ein Judentisch direkt am Eingang zugewiesen worden war. Dort planten sie die nächsten Reiseabschnitte. »Morgen solten wer iber Weiden bis Neustadt komen«, sprach der Alte nach dem Essen. Die nächsten Tage der Reise hatten Gottschalk schon in Nürnberg Sorgen bereitet. Das waldbekränzte Land schwang sich immer höher hinauf. Die Handelsstraße dort war unsicher – zu viele Händler mühten sich mit ihren Karren durch jenes Land, als dass Raubritter und Schurken der Verlockung widerstehen konnten.
    »Müssen wir morgen auch so weit wie heute?«, fragte Luzinde besorgt.
    »Nit ganz«, beruhigte er sie. »Ich werd sen, ob’s nit eine Grupe gibt, de uns wil«, fügte er hinzu. »S’is besser, den Weg dort nit alein ze geen.«
    Er machte sich dann auch auf, im Ort nach weiteren Reisegruppen Ausschau zu halten, und kam tatsächlich zufrieden wieder. »Da is ein Ritersman«, sagte er froh. »Riter Wenzel, der firt eine Grup nach Prak. Der mog uns meglicherweis nit sonderlich, aber er nimt unser Gold trotzdem. Er sagt, wer soln morgen beim Aufgang der Sune bereit sein. Ein Ritersman!«, wiederholte er froh. »Des is besser, als wer haben hoffen
kennen, Luzinde!« Und er hatte jeden Grund, sich zu freuen, denn der Schutz eines Ritters war in dieser Gegend Gold wert. Die Anstrengungen der letzten Tage forderten von beiden ihren Zoll, und so schlief Luzinde wie ein Stein.
    Am nächsten Morgen packten sie hastig alles zusammen und fanden sich wie verabredet auf dem Dorfplatz ein, um sich Ritter Wenzels Reisegruppe anzuschließen. Das Erste, was Luzinde sah, war ein großes schwarz-braunes Pferd mit goldbestickter Schabracke.

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