Die Lichtermagd
Daneben stand der Ritter im geschwärzten Kettenhemd. Als sie auch noch den böhmischen Löwen in den Stickereien entdeckte, da war sie sich ganz sicher: Dies war einer der Ritter, die den Baldachin von König Karl bei seinem Einzug in die Stadt getragen hatten! Und als sie den kurzen braunen Bart und die warmen, ebenfalls braunen Augen des jungen Mannes sah, da wusste sie, dass dies der Ritter war, mit dem Karl Worte gewechselt hatte, als der Lichtstrahl durch die Wolken auf den König gefallen war. Damals hatte er ein weißes Pferd geritten und das braune Haar offen getragen, das nun durch ein Band im Nacken gehalten wurde. Er wirkte in seiner Rüstung sehr grob und kräftig. Ritter Wenzel erkannte Luzinde wohl ebenfalls, denn er schenkte ihr einen irritierten Blick. Er musterte sie stumm.
»Des is mein Großnichte«, stellte Gottschalk Luzinde dem Ritter vor.
»Deine Großnichte, Jude?«, fragte Wenzel stirnrunzelnd. »Das heißt, du bist auch Jüdin?«
»Ja, Herr«, erwiderte Luzinde errötend und neigte das Haupt. Er ahmte ihre Geste sofort nach. »Ich heiße Luzinde.«
»Wenzel von Sparrenheck«, stellte er sich vor. Erstaunt stellte Luzinde fest, dass er ähnlich befangen wirkte wie sie – ein Ritter in voller Rüstung, der nicht wusste, was er sagen sollte! Das passte nicht in das Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte.
»Ritter Wenzel?«, vernahm sie eine wohlvertraute Stimme hinter sich. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie fuhr herum.
Dort ritt Ulman Stromer auf seinem prachtvollen fahlgrauen Schimmel heran. Hinter ihm folgten ein älterer Mann, der ebenfalls wie ein Patrizier gewandet war, sowie eine Gruppe von Bewaffneten und Unbewaffneten. Sie alle waren beritten, wirkten jedoch nicht, als seien sie ein solcher Jagdtrupp wie der, der ihnen aus Nürnberg gefolgt war. Luzinde erstarrte. Die Männer mussten auch nach Prag unterwegs sein – zum König.
Gottschalk fand seine Sprache schneller wieder. »De Leut werden mit uns auf de Reise geen?«
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Ulman gleichzeitig. »Sollen wir mit den Juden reisen?«
»Ich sehe, man kennt sich«, stellte Ritter Wenzel stirnrunzelnd fest.
Da drängte der reich gekleidete Patrizier, dessen Haaransatz schon weit zurückgewichen war und der so manche Wulst vom guten Essen besaß, sein Pferd voran. »Die Juden sollen mit uns reisen? Das ist ausgeschlossen.«
»Herr Stromer. Herr Götz Scheffein«, grüßte Gottschalk höflich, doch Luzinde hörte den kühlen Unterton.
»Der Jude kann nicht bleiben«, erwiderte Scheffein brüsk. Wieder stellten sich Luzindes Nackenhaare auf, denn sie erkannte seine Stimme. Er war einer der Männer, die sie in der Laurentiuskirche gehört hatte.
»Nu waren wer aber zuerst hier«, meinte Gottschalk so freundlich wie möglich.
Luzinde beobachtete Ulman unwillig. Ausgerechnet er befand sich in der Gesandtschaft zum König und musste ihnen nun hier begegnen! Es stand außer Frage, dass Gottschalk, sie und er nicht in derselben Gesellschaft nach Prag reisen konnten.
Doch zwischen zwei so angesehenen Herrschaften und einem Juden mit Begleitung stand fest, wie Ritter Wenzel sich entscheiden würde. Beinahe wütend vermutete sie, dass Gottschalk diese Ablehnung mit der ihm eigenen Höflichkeit akzeptieren würde. Die Magd wandte sich ab, doch als sich ihr Blick mit dem des Ritters kreuzte, erkannte sie an seinem Stirnrunzeln, dass er den feindseligen Blick zwischen Ulman und ihr bemerkt hatte.
»Ihr wollt nicht mit den Juden zusammen reisen?«, fragte Wenzel die neu hinzugekommenen Herrschaften.
»Um nichts in der Welt!«, verkündete Götz Scheffein. »Wer etwas auf sich hält, kann das nicht akzeptieren.«
»Und Ihr, Herr?«, fragte der Ritter Ulman Stromer.
Der zögerte, tauschte mit dem Ratsherrn neben sich einen Blick. »Das ist nicht standesgemäß«, gab er dann zur Antwort. »Mit den Juden können wir nicht ziehen.«
Der Ritter sah von einer Gruppe zur anderen. Wog er ab, wen er lieber bei sich haben wollte? Sicher würde er den hohen Herrschaften den Vorzug geben. Doch sein Blick suchte zunächst den von Luzinde. Warum musterte er sie so? Die Magd las in den warmen braunen Augen eine gewisse Verwirrung. Sie schenkte ihm unwillkürlich ein Lächeln.
»Nun«, schloss Wenzel dann, »dann geht wohl nicht beides zusammen. Der Herr Gottschalk hat schon bezahlt. Im Gegensatz zu Euch, Herrschaften.« Luzinde hörte verwundert zu. Der Ritter schien es beinahe zu genießen, die reichen
Weitere Kostenlose Bücher