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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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zurückschicken.«
    Luzinde schloss die Augen wieder. Sie hatte keine Kraft zum Widerspruch. Und so half ihr der Rittersmann schließlich vom Karren. Sie sah in der Ferne einen riesigen Marktplatz und eine kleine Kirche mit halbfertig gebautem Turm.
    »Luzinde.« Sie sah auf. Wenzels Gesicht spiegelte einen Teil ihrer Trauer wider. »Dein Verlust tut mir sehr leid.« Seine Worte kratzten an der Mauer, die sie um sich herum errichtet hatte und durch die nichts an sie herangelangte. Dahinter, so spürte sie, wartete ein Meer an Tränen auf einen Dammbruch. Doch das wollte sie nicht zulassen. Sie nickte bloß und begab sich in die Obhut der jüdischen Frauen, die sie am Tor des großen steinernen Hofes erwarteten. Sie hatte keine Ausrede, nicht hier zu bleiben. Und nun gab es ja keinen Grund
mehr, nach Prag zu gehen. Gottschalk war tot. Der Plan, den König um Schutz für die Juden von Nürnberg zu bitten, war gescheitert. Doch Luzinde war das gleichgültig. Sie spürte nichts mehr.

KAPITEL 17
    Die Nacht lag wie ein Leichentuch über dem Böhmischen Land, als Ulman Stromer und seine Reisegefährten Rast machten. Sie hatten sich den Tag über geeilt. Man wollte zeitig in Prag sein. In jedem Fall vor dem Ritter Wenzel von Sparrenheck, der als Einziger Klage führen konnte, falls er dahintergekommen sein sollte, wer Gottschalk hatte erschlagen lassen.
    Ulman konnte nicht schlafen. Stattdessen stand er in seinen Umhang gehüllt an einem abschüssigen Hang und starrte in die Dunkelheit. Götz Scheffein und er waren in Tachau von der Reisegruppe Wenzels überrascht worden. Sie hatten nicht gedacht, dass die Leute mit ihren Karren so zügig vorankämen – doch offenbar trieb der Ritter sie an.
    »Er darf Prag nicht erreichen, Ulman«, hatte Götz finster gesagt.
    Ulman war klar gewesen, dass er Recht hatte. Sein Onkel Hosto hätte die Schläger in Tachau ebenfalls dafür bezahlt, dass sie Gottschalk überfielen. Er hatte den Männern aufgetragen, dem Mädchen nichts zu tun und den Mann am Leben zu lassen. Doch er hatte das Risiko gekannt. Und nun war Gottschalk tot. Der Wettlauf gegen die Juden von Nürnberg war gewonnen. Doch dieser Sieg bereitete ihm keine Freude.
    Sobald der junge Mann die Augen schloss, sah er die Szene auf der Straße immer wieder vor sich. Er hatte hinter einer Mauer gehockt und sie aus der Ferne beobachtet. Hatte er mit eigenen Augen sehen wollen, was sein Geld und sein Befehl bewirkten? Hatte er beobachten wollen, wie Luzinde litt? Er wusste es nicht genau. Er wusste nur, dass er beinahe selbst
aufgesprungen wäre, um die Kerle abzustechen, als sie Luzinde Gewalt androhten. Dass die Leute nie tun konnten, was man ihnen befahl!
    Als der Kerl ihm Gottschalks Börse übergeben hatte, hatte Ulman ihm endlich die Faust ins Gesicht schlagen können. »Du Scheißkerl!«, hatte er ihn angebrüllt. »Von der Frau war keine Rede!« Doch der Mann hatte gar nicht verstanden, warum er sich so aufgeregt hatte. Ebenso wenig wie Götz. »Hauptsache, sie tragen keine Mischlinge aus«, hatte er gesagt. »Ansonsten sind sie zu genau denselben Dingen gut wie andere Huren auch.«
    Doch Ulman war nicht dieser Meinung. Es machte ihn wütend, dass er noch so von ihr dachte, doch der Duft von Luzindes Haar hing ihm noch nach, wenn er an die Nacht in der Kaiserburg dachte. Sie hätte das nicht tun müssen. Inzwischen verachtete er sie, für ihre Lügen, für ihr Vertrauen, für die Faszination, die sie auf ihn ausübte. Doch vergessen konnte er sie nicht.
    Er ballte die Faust und boxte den Baumstamm neben ihm. Warum nur war nichts so einfach, wie er früher einmal gedacht hatte? Warum hatte er den Körper dieser Frau nicht einfach nehmen und sie dann vergessen können? Warum um Gottes willen musste der Blick ihrer klaren Augen ihn heimsuchen, wohin er auch ging? Und warum sah er immer wieder die Furcht in ihren Augen, als er sie im Lochgefängnis zur Rede gestellt hatte? Sie hatte ihn angeschaut, als wäre er ein Ungeheuer.
    »Ulman?«, klang Götz’ Stimme vom Lagerfeuer herüber.
    »Ja?«
    »Starrst du schon wieder ins Dunkle?«
    Ulman schloss die Augen und fluchte. »Nein. Ich pisse.«
    »Du pisst aber lange.«
    »Ich pisse halt, so lange ich will!«, knurrte Ulman.

    Der Bischofsring aus dickem, dunklem Gold schnürte den fleischigen kleinen Finger ein, als Friedrich von Hohenlohe, Bischof von Bamberg, die Hand spreizte und den bereits fettigen Zeigefinger unter den Kiemen des Fisches auf der Platte schob. Er hatte das

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