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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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er handelte. Solange der Bischof sich noch das Geld von den Juden erhoffte, würde er sie im Namen des ihm vom König verliehenen Anspruches schützen.
    »Was meint Ihr damit, Stromer? Sprecht!«
    »Es gibt Unruhen in der Stadt«, formulierte Ulrich vorsichtig und strich sich über den blonden Bart. »Wer weiß, was da passieren kann? Vielleicht gibt es bald keine Juden mehr in Nürnberg. Und wenn der Pöbel einmal über sie hergefallen ist, dann kann niemand mehr garantieren, wo ihr Hab und Gut, all
die Pfänder und Wertsachen hingeraten … Der Rat müsste sie einziehen, feststellen, wem sie gehören, und Ihr wisst, wie so etwas läuft.Wo kein Besitzer mehr ist, übernimmt der Rat das Erbe.« Nun nagte er in kleinen, bescheidenen Bissen an der köstlichen Feige und wischte sich den Sud, der ihm aufs Kinn lief, mit dem Handrücken ab. Um nichts in der Welt wollte er sich so besudeln wie der gefräßige Bischof. Doch als Hosto den Kirchenmann ansah, stutzte er. Der Mann grinste. Er hielt Hostos herausforderndem Blick mit einer Maske schlecht verhohlenen Triumphs stand. Hosto hatte den Eindruck, dass ihm etwas Wichtiges entgangen war. Er hasste kein Gefühl auf der Welt mehr als das, nicht alle Karten zu kennen, die gespielt wurden.
    »Nur zu, Stromer. Lasst den Pöbel los. Lasst ihn die Juden abschlachten. Wir werden ja sehen, wie sich die rechtliche Situation hinterher klärt.« Das Grinsen des Bischofs verbreiterte sich zu einem süffisanten Lächeln.
    Hosto zerbrach den Hühnerknochen und zermatschte das Fleisch, das noch daran hing. Er schätzte es nicht, mit dem Bischof zu verhandeln, doch es war üblicherweise ein leichtes Spiel.Wie auch dieses Mal konnte der gefräßige Mann nicht an sich halten, wenn er meinte, gewonnen zu haben – er musste die Niederlage in den Augen seiner Gegner sehen, musste seinen Triumph auskosten bis zum letzten Tropfen. Und hier sah Hosto, dass er bezwungen war. Wie auch immer sie aussah – der Bischof hatte vermutlich eine Vereinbarung mit König Karl, die ihm die Habe der Juden im Falle ihrer Vernichtung zuschrieb. Das würde auch das vermehrte Interesse erklären, das Bischof Friedrich von Hohenlohe nun, da die Verhältnisse mit dem König geklärt waren, der Stadt wieder widmete. Ulrich Stromer hatte gehört, dass Karl den Rat der Stadt Frankfurt von jeglicher Schuld freigesprochen hatte, sollte den dortigen
Juden und ihrer Habe etwas geschehen.Was im Sommer natürlich prompt geschehen war.Wenn der König mit dem Bischof und dem Burggrafen damals eine ähnliche Vereinbarung getroffen hatte, dann würden beinahe all seine eigenen Sanierungspläne ins Leere laufen.
    Hosto ließ dem Bischof seinen Genuss. Er ertrug ihn noch eine Stunde lang und ließ ihm die besten Speisen servieren, während er selbst seine Wut gerade so unter Kontrolle hielt, dass der Kirchenmann sich an seiner Niederlage weiden konnte. Wenn Friedrich dachte, dass der Rat sich bezwungen glaubte, würde er sorglos werden.
    Doch kaum hatte der Bischof das Eckhaus am Zotenberg schräg gegenüber der Synagoge verlassen, ließ Hosto seinem Zorn freien Lauf. Er griff sich den Tisch und schleuderte ihn mitsamt der Tafel durch den Raum, begleitet von einem Schrei, der ein hungriges Rudel Wölfe vertrieben hätte. Ulrich riss das hölzerne Kruzifix von der Wand, schleuderte es dem Tisch hinterher und warf die Weinkrüge die Treppe hinunter, als das Gesinde nach dem Rechten sehen wollte. Das Gefühl, nicht selbst die Kontrolle über eine Situation zu besitzen, sondern zum Zuschauen verdammt zu sein, machte ihn rasend.
    Schließlich stand der kräftige Mann keuchend am Fenster und blickte nach Osten. Er hätte selbst nach Prag fahren sollen. Stattdessen musste er sich nun darauf verlassen, dass Ulman in seinem Sinne klug verhandelte. Und dass, obwohl der junge Mann sogar Skrupel geäußert hatte, gegen die Juden vorzugehen, weil sie anständige Menschen seien. Ulrich schleuderte eine geschliffene Achatschüssel aus dem Fenster, die auf der von tiefen Spurrillen zerfahrenen Straße zerplatzte. Anständige Menschen! Als ob das Bedeutung hätte, wenn es um die Zukunft Nürnbergs ging! Hosto schüttelte den Kopf, während er sich langsam beruhigte. Der Junge war zu mitfühlend. Er
musste noch viel lernen, wenn er einmal die Geschäfte der Familie Stromer übernehmen wollte.
    Schwer atmend blickte Hosto in den Innenhof, den die Gebäude am Zotenberg gemeinsam bildeten. Dort spielte der Enkelsohn Gottschalks gerade an den

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