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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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brannte ihr die Verkleidung mit dem blaurandigen Schleier auf dem Gewissen, und mit ihr die Worte,
die sie heute zu Ritter Wenzel gesprochen hatte. Doch in die Kirche durfte sie nicht gehen – wenn sie dort jemand sähe, wäre sie verraten. Nein, heute würde sie sich wie die letzten Nächte mit einem stummen Gebet auf dem Heuboden zufriedengeben, nachdem sie der Tarnung halber mit Gottschalk vor seinem kleinen Reiseleuchter gesessen und die Sprüche der Juden aufgesagt hatte.
    »Kom«, meinte Gottschalk. Offenbar bemerkte er ihre Bedrücktheit, denn er lächelte sie warmherzig an und bot ihr, ganz der alte Herr, eine Hand an, um sie über die uneben gefrorene Straße vor dem Gasthaus zu führen. Die Magd hielt sich dankbar an ihm fest. Mit einem Mal wirkte das Gasthaus, so lumpig und verlaust es vermutlich war, doch verlockend. Sie freute sich nicht auf die Nacht in dem kühlen Stall, in dem die einzige Wärme von den Leibern des Viehs stammen würde.
    »Luzinde«, begann Gottschalk stockend, »de wirdest mir’s doch sagen, wenn de mit dem Herrn Wenzel innig werst?«
    Luzinde erstarrte. »Wie kommst du denn darauf, Gottschalk?«
    »Bin ein alter Narr«, erwiderte der Greis seufzend. »Aber kein dummer Narr. Ich hab den Blick geseen, den er dir gegeben hat, gleich in Hirschau.« Er machte eine Pause. »Aber de weest, dass de dann nit mer in meinem Haus bleiben kennst, nit? Des gibt Erger.«
    Luzinde nickte stumm. Sie musste an ihre Nacht mit Ulman denken und vermied seinen Blick. Doch Wenzel? Mit dem Ritter war das nicht so wie mit dem Patrizier.Wo Ulman stolz und strahlend war, wirkte Wenzel warm und in sich ruhend. Bei Ulman hatte das Körperliche, die Lust, sie beide zueinander gezogen. Wenzel... Wenzel hatte bei ihr von Anfang an Vertrauen erweckt, obwohl sie ihn doch nicht gekannt hatte. Der
Ritter stand ihr bereits nach den paar Tagen nahe, gestand sie sich ein. Doch da er sie für eine Jüdin halten musste, war sie für ihn völlig unstandesgemäß. Sie zwang sich zu einer Antwort. »Zwischen uns ist nichts, Gottschalk.«
    »Gut.« Doch Luzinde war nicht sicher, ob er ihr wirklich glaubte. Sie konnte bei der Dunkelheit nicht in seinen Zügen lesen und traute sich auch nicht, ihn anzuschauen. Doch es passte zu Gottschalk, dass er nicht einmal für sie, die er offenbar ins Herz geschlossen hatte, bereit war, das öffentliche Ansehen in Nürnberg zu riskieren.
    Gemeinsam betraten Gottschalk und Luzinde die Hauptstra ße, die von Händlers- und Bauernkarren tief gefurcht war und einige halbgefrorene Pfützen aufwies. Sie hoben die Säume der Gewänder und schoben sich an den Wänden der Holzhäuser entlang, die selbst im Mondschein noch dunkel von Wind und Wetter wirkten. Die Stille über dem Ort wurde nur vom Rauschen des Windes gefüllt. Plötzlich kam ein Mann zwischen zwei Gebäuden hervor und rannte in Luzinde hinein. Er traf sie hart an der Schulter.
    »Au!« Sie rieb sich den Oberarm, denn sein Ellenbogen hatte ihren Muskel getroffen. »Verdammt …«
    »Platz da, Jüdin!«, knurrte der Kerl in rauem böhmischen Akzent und wandte sich ihr zu. Es handelte sich um einen dürren, dreckigen Mann mit schütterem Bart und Haar. »Willst dich nicht entschuldigen, heh?«
    Luzinde biss den Schmerz zurück. »Du hast mich angerempelt, verdammt!«, presste sie zornig heraus.
    »Was hast du gesagt?«, fragte der Kerl und legte den Kopf schräg. »Hast du gerade den Namen des Herrn verflucht?«
    »Hat se nit, Herr«, sprang Gottschalk ein. »Ir wisst doch, wie de Waiber so sind. Es tut mir leid, wenn’s Euch hat wegetan, Her.«

    Doch der Mann hörte ihm kaum zu. »Die Juden hier haben den Namen des Herrn verflucht!«, rief er noch einmal aus.
    »Gottschalk, der Kerl hat mich angerempelt! Und du entschuldigst dich bei ihm?«, fragte Luzinde. Auf den Schmerz folgte die Wut. »Wie kannst du nur immer so buckeln?«
    »Der Jude ist zum Buckeln geboren, Weib!«, knurrte der Fremde. »Er soll dienen und buckeln, um für den Tod des Heilands zu büßen! Und wenn wir euch dabei noch grün und blau schlagen, sollt ihr noch danke sagen!«
    Der Magd riss nun endgültig der Geduldsfaden. »Wer sagt das?«
    »Der Papst, du Hure!«, erwiderte der Mann, dem sich zwei weitere Gestalten hinzugesellten, die kaum weniger schmutzig wirkten. »Juden sind zur Knechtschaft geboren. Ihr könnt froh sein, wenn wir euch am Leben lassen!« Damit griff er nach Luzindes Arm. »Was nicht heißt, dass ihr Judenweiber uns verboten

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