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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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umdrehte und fortrannte, würde sie niemals wieder erhobenen Hauptes durch die Straßen einer Stadt gehen können. Es gab nur den Weg nach vorne.
    Luzinde ging ihre Habseligkeiten durch. Das braune schlichte Kleid war bei Levi zurückgeblieben. Sie bedauerte den Verlust. Fast schien es ihr, als müsse sie damit einem Teil ihrer Vergangenheit Lebewohl sagen. Mit Gottschalks Mantel besaß sie immerhin auch noch ausreichend Mittel, um ihr Ziel zu erreichen. In der Tasche war ein wenig Reisegeld, Essen für zumindest
noch ein oder zwei Tage, ihr braunes Gewand sowie die Ritualgegenstände von Gottschalk, namentlich der kleine klappbare Reiseleuchter, die Lederriemen und das Gebetstuch. Die würde sie Mose und seiner Familie zurückbringen.
    In der kleineren Tasche fanden sich ein paar Stücke Leinen zum Verbinden von Schnitten und Blasen, Kräuter sowie ein goldenes Medaillon mit einer eingeprägten Menora. Sie beließ alles, wo es war.
    Als sich im Osten, wo Luzinde die Königsstadt Böhmens wähnte, die Sonne mit einem feinen hellen Streifen am Horizont ankündigte, da lächelte Luzinde. Zum ersten Mal seitWochen – nein, eigentlich sogar seit Jahren -, hatte sie das Gefühl, die Zügel ihres Lebens selbst in der Hand zu halten und den richtigen Weg zu beschreiten. Das wollte Luzinde niemals wieder missen. Und so zog sie den Judenschleier mit der blauen Borte wieder übers Haar und verstaute ihn sorgfältig unter der Kapuze.
    Sie blickte der Sonne entgegen, die breite Gasse entlang, die sich außerhalb der Stadt der Mies anschloss. Sie warf sich das Gepäck für einen langen Marsch auf den Rücken. Dann machte sie sich auf nach Prag.

KAPITEL 19
    D er Regen blieb an diesem Morgen aus, doch die Wolken am Himmel lichteten sich trotzdem niemals vollständig. Der Wind blies schneidend kalt und trug den Geruch von nächtlichem Frost mit sich. Das Land lag im Dämmerlicht da, als wolle es nicht vollständig aus einem trägen Winterschlaf erwachen.
    Luzinde schleppte schwer an ihrem Gepäck, da sie die beiden Taschen, die sich vorher auf dem Karren befunden hatten, selbst tragen musste.Wo das Gefährt geblieben war, wusste sie nicht – vielleicht stand es noch bei Levi. Also kam sie langsamer voran als auf dem ersten Reiseabschnitt.
    Ihr zogen Bauernkarren und Marktschreier entgegen, die Herbstäpfel und Korn nach Pilsen zum Verkauf brachten. Allesamt beäugten sie Luzinde neugierig, teils sogar dreist, denn die Sorte Frau, die allein zu reisen wagte, hatte üblicherweise nichts zu verlieren. Luzinde war froh, als sie so weit von Pilsen entfernt war, dass die Begegnungen rarer wurden.
    Schon nach wenigen Stunden hatte sie neuen Respekt davor gewonnen, zwei ganze Tagesreisen allein durch Böhmen zu ziehen. Wie sollte sie in die Ortschaften einziehen, ohne dass man sie für leichte Beute hielt, wo sie doch ohne schützende Begleitung war? Sie fand keine Antwort auf diese Frage und beschloss, sehr vorsichtig zu sein. Wie sie es von Wenzel gelernt hatte, machte sie regelmäßig Pausen, um ihre Füße ausreichend zu schonen und neue Kraft für die nächste Etappe zu sammeln. Mutlosigkeit lauerte in ihr.Wie damals, als sie irgendwann beschlossen hatte, in Pillenreuth zu bleiben, hätte sie sich am
liebsten hier in Gottschalks Pelzmantel zusammengerollt und die Welt um sich herum vergessen. Doch sie riss sich zusammen. Sie durfte sich nicht gestatten, jetzt aufzugeben! Ein Mensch, der sich vor der Welt versteckt hatte, wollte sie niemals wieder sein. Also machte sie sich wieder auf den Weg, denn vorwärts war immer noch besser als zurück. In Pilsen besaß sie keine Freunde. Was in Prag auf sie wartete, wusste sie nicht.
    Kurz vor Mittag näherte sich Luzinde Gebäuden. War dies Rokytzan? Eigentlich hatte Wenzel nach Pilsen Horowitz als Etappe für ein Nachtlager auserkoren. Doch da sie beide Orte nicht kannte und keinerlei Erfahrungen mit den Entfernungen besaß, würde sie erfragen müssen, wo sie war und wie sie nun weiterziehen musste.
    Zögernd betrat Luzinde den Ort. Sie wusste nicht, ob dies ein Fehler war – doch sie brauchte etwas zu essen. Bei einem Bauernhof anzuhalten war mindestens ebenso riskant. Eine Münze des Reisegeldes lag in ein Tuch eingeschlagen in ihrem Schuh griffbereit und doch gut verborgen.
    Der Ort stellte sich als bloße Ansammlung weniger Häuser und Höfe heraus. Die Gegend war so bewaldet, dass man für die Felder einen riesigen Kreis hatte schlagen müssen. Die Häuser bestanden zu großen Teilen

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