Die Lichtermagd
wirst du uns mit deinem Zopf erschlagen, Weib?«, lachte der Erste.
Luzinde versuchte, ihre Angst zu bezwingen. Sie hatte schon oft gelogen, und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber dies musste mehr als eine Lüge sein, jetzt musste sie Eindruck schinden …
»Ich werde gar nichts tun«, erwiderte sie mit einer Kaltschnäuzigkeit, die für sie selbst überraschend war. »Ihr könnt Hand an mich legen und mich verschleppen. Ihr könnt mir Gewalt antun, mich in ein Hurenhaus schaffen, und ihr könnt dabei lachen und scherzen. Doch ich werde irgendwann ein – ein schwarzes Huhn in die Hände bekommen. Und dann werde ich es aufschlitzen und seine Eingeweide meinem dunklen Judengott weihen. Doch sein Herz werde ich essen. Und wisst ihr auch warum? Um euch mit dem schlimmsten Fluch zu belegen, den die Frauen des – des Volkes Israel beherrschen. Und dann, eines Tages, wenn ihr es am wenigsten erwartet, dann wird mein Gott mich rächen. Er wird euch die Haare ausfallen und die Zähne im Munde verfaulen lassen. Er wird eure Augen stumpf und eure Ohren taub werden lassen. Er wird eure Eingeweide und eure Schwänze verdorren lassen. Und dann, wenn ihr am Ende seid, dann wird er euch … Er
wird euch nicht töten. Er wird euch in aller Grausamkeit seines Wesens so alt werden lassen wie Methusalem. Damit euer Leiden so lange dauert, wie es nur irgend geht.« Luzinde hatte sich in Rage geredet und funkelte die Kerle an, die Wangen gerötet, der Busen bebend, da sie zum Schluss beinahe geschrien hatte.
»Du – du lügst doch«, stammelte der erste Kerl, doch er konnte seine Verwirrung nicht verbergen.
»Wenn das nicht wahr wäre, würde ich dann so ruhig hier stehen?«, fragte Luzinde bissig. »Wenn ich Angst vor euch haben müsste – würde ich dann nicht fliehen und betteln und um mich schlagen?«
»Ich glaub dir trotzdem kein Wort«, meinte der Zweite, doch auch er verhielt sich zögernd.
»Dann müsst ihr wohl aus eurem Schaden klug werden«, sie zuckte in gespieltem Bedauern mit den Schultern. »Ich habe nicht die Macht, euch aufzuhalten. Doch Adonai«, sie wies gen Himmel, »hat die Macht, euch zu strafen. Er wird dafür sorgen, dass ihr hundeelend krepieren werdet!« In einem spontanen Einfall löste sie das blutige Stück Leinen von der Hand, mit dem sie sich in Pilsen den Ratscher verbunden hatte. Sie hielt das blutige Tuch hoch, in die Luft, und brabbelte Wortfetzen, die so ähnlich klangen wie die Sprache, die die Juden für ihre Tischgebete benutzten. Das einzig sinnvolle Wort darin war »Adonai«, das sie so oft wiederholte, dass es einer Beschwörung glich. Dann warf sie das Tuch den Männern entgegen. »Schreitet an dem Punkt vorbei, den mein Blut markiert, und Adonais Fluch wird euch treffen!«, rief sie schrill. Gleichzeitig betete sie, dass die Leute im Dorf ihre Sprache nicht verstehen konnten. Sonst würde sie morgen als Hexe brennen.
Der Knecht, der sie zuerst angesprochen hatte, wich unwillkürlich zurück, als ihm das Tuch entgegenflog. Der Zweite
wirkte weniger beeindruckt. »Du lügst doch«, sprach er, und kam bedrohlich auf sie zu.
Doch kaum hatte er zwei Schritte getan, hielt ihn der andere am Arm zurück. »Pavel, was, wenn’s stimmt?«
»Das stimmt nicht, Mierek«, spie der aus. »Die verscheißert uns nur!«
»Aber woher weißte das?«
»Schau sie dir doch an! Glaubst du, das ist eine Judenhexe? Dieses schmale Hühnchen?«
»Müssen Judenhexen dick sein? Haste denn schon mal eine gesehen, Pavel?Was, wenn’s stimmt?« Mierek schien den Freund zu verunsichern. »Mir ist es das nicht wert.«
Pavel wandte sich ihm zu, und nun fielen die beiden in ihre Muttersprache zurück, so dass Luzinde nichts mehr verstand. Doch sie entnahm der hitzigen Diskussion, dass sie gewonnen hatte. Der Zweifel war gesät. Die beiden würden den Zorn des Judengottes Adonai nicht herausfordern.
Schnell sandte die Magd ein Gebet an die Heilige Jungfrau. Sie hoffte, dass der Gott der Juden nur ein Irrbild war, denn wenn es ihn gab – hatte sie dann nicht Mächte herausgefordert, die sich gegen sie selbst wenden würden? Aber wer wusste das schon? Vielleicht fände ihre Scharade sogar seinen Gefallen.
Die beiden Knechte waren noch in ihrem hitzigen Streit vertieft, da öffnete sich unweit eine Tür. Die alte Frau, die vorhin noch am Fenster gestanden und geglotzt hatte, kam mit krummem Rücken aus der Tür gehinkt und hielt kurz inne, um ihre Blicke von Luzinde zu den beiden böhmischen Knechten
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