Die Lichtermagd
schweifen zu lassen. Dann zischte sie ihnen etwas zu, das Luzinde nicht verstand. Sie ging auf die Magd zu, drehte sie am Arm herum, hakte sich bei ihr unter und hinkte mit ihr über den Dorfplatz, hinüber zum Gasthaus.
»Nicht umdrehen, Kind«, knurrte sie, als Luzinde Anstalten machte, sich zu wehren. Und die Magd gehorchte. Schließlich, nach quälend langem Gang, kamen sie bei dem gastfreien Haus an und gingen die steilen Stufen hinunter in den Schankraum. Dort, endlich, atmete Luzinde auf. Auch die Dorfbewohner sahen nicht unbedingt vertrauenerweckend aus, wie sie sie anstarrten, doch die Alte bugsierte sie an einen Tisch aus Holzplanken, drückte sie auf die flache Bank und winkte nach Getränken.
»Wer seid Ihr?«, fragte Luzinde.
»Meinen Namen sag ich dir besser nicht, falls du mich auch verfluchen willst«, grinste die zahnlose Frau. »Vielleicht hast du’s auch schon getan, denn meine Zähne sind ausgefallen, mein Rücken krumm und verdorrt bin ich auch schon, weiß Gott.« Sie lachte heiser.
»Das war alles nicht sehr einfallsreich, nicht?«, fragte Luzinde bedrückt.
»Nein, Kind. Aber für die beiden groben Klötze da draußen hat’s wohl gereicht. Zumindest für den einen. Jetzt werden sie zusehen, dass sie wegkommen. Dann ist alles sicher für dich. Aber du solltest nicht allein reisen, Dummchen.«
»Das tue ich auch nicht freiwillig.« Luzinde musterte die Alte. »Was habt Ihr ihnen gesagt?«
»Dass die Teufel aus der Hölle ihnen die schlimmsten Qualen bereiten würden, wenn sie einen Finger gegen dich erheben.«
Luzinde musste lachen. »Das ist auch nicht viel einfallsreicher.«
»Die Pfaffen drohen seit Jahrhunderten mit dem Höllenschlund. Das hat noch immer gezogen.«
»Und deshalb stört euch nicht, dass ich eine Jüdin bin?«
»Warum sollte mich das stören?«
»Weil die Priester lehren, dass wir unrein sind und Gottesmörder.«
»Mädchen«, lachte die Alte und nahm einen tiefen Schluck von dem warmen Bier, das ihnen gebracht worden war. »Wenn ich alles glauben würde, was die Priester sagen, dann wäre ich vor dreißig Jahren vor Gram gestorben.Wenn der Herrgott all das sühnen würde, was die Pfaffen so behaupten, dann hätte er viel zu tun.« Sie zwinkerte Luzinde zu. »Und er wär ganz schön pingelig, wenn du mich fragst.«
Da musste Luzinde lächeln. Ja, irgendwie hatte die Alte wohl Recht. Oftmals drohten die Priester von den Lettnern aus Stein und Holz mit Pestilenz und Höllenqualen. Man musste selbst bewerten lernen, welche Sünden die Sühne wert waren.
»Ihr seid sehr weise, namenlose Frau«, schmunzelte Luzinde.
»Das macht das Alter, Kind. Das muss auch seine Vorteile haben.«
Sie saßen noch eine kleine Weile und schwatzten, bis sich die Alte verabschiedete. »Pass bloß auf dich auf.« Sie drohte mit dem Finger. »Ich kann ja nicht überall für dich da sein.«
»Ich dank dem Herrn, dass Ihr es hier getan habt«, gestand Luzinde erleichtert, und drückte ihr die Hand.
Nach einer Schüssel Eintopf hatte Luzinde den Schrecken bald vergessen. Sie labte sich an der Wärme von innen und außen und starrte in das Feuer, über dem der Kochtopf hing. Als die Tür aufging, sah sie auf, denn ein plötzlicher Zug ging durch den Schankraum. Ihre Augen brannten vom Rauch und der schlechten Luft. So dachte sie zuerst, ihre Sicht würde sie trügen, als Ritter Wenzel mit dem Händler Seifert die Treppe herunterkam und sie eben so verblüfft ansah wie sie ihn.
»Frau Luzinde!«
»Tatsächlich – meiner Treu, wie kann denn das sein?«, ergänzte Seifert.
»Ritter Wenzel, Herr Seifert«, Luzinde sprang auf und neigte artig das Haupt. »Ich wähnte Euch längst vor mir. Wieso habt ihr so lange gebraucht?«
Die beiden Männer setzten sich zu ihr an den Tisch und lie ßen sich ebenfalls bedienen. Dann brummte Wenzel: »Der Frater hat zu viel vom Pilsener Bier gehabt. Er war kaum vom Lager zu treiben, so dick war sein Schädel.«
»Und wieso bist du hier, Mädchen?«, fragte Seifert. »Solltest du nicht bei dem Juden in Pilsen bleiben?«
»War Levi nicht gut zu dir?«, fragte Wenzel stirnrunzelnd.
»Nein, Ihr Herren, Levi war gut zu mir.« Sie fand, sie schulde dem Mann, der sie immerhin aufgenommen hatte, ein paar gute Worte. »Ich kann nicht in Pilsen bleiben.« Sie senkte den Blick. »Ich … ich muss nach Prag.«
»Nach Prag?«, fragte Seifert stirnrunzelnd.
»Und da hast du dich allein auf den Weg gemacht?«, fügte Wenzel hinzu. Der besorgte Ton in seiner
Weitere Kostenlose Bücher