Die Lichtermagd
Luzinde.«
»Herr?«
»Warst aus dem Haus?«
»Ich …« Luzindes Gedanken überschlugen sich. Leugnen hatte offenbar keinen Zweck, denn jemand musste sie gesehen haben. »Ich war spazieren.«
»Schpaziern? In der Miten der Nacht?«
»Ich … ich musste den Kopf klar bekommen, Herr Levi. Es ist so vieles passiert in der letzten Zeit …«, Luzinde verstummte, denn Levis Blick barg so viel Misstrauen, dass ihr das Lügen schwerfiel, so nahe sie der Wahrheit auch kam.
Nun nickte der Hausherr zum Knecht hinüber. »Seligmann sagt, du werst nach Sankt Bartholome gangen.«
»Warum sollte er so etwas sagen?«, fragte sie mit klopfendem Herzen.
»Was soll ich den glauben, Luzinde?«, fragte Levi. »Was sagst du dazu?«
Luzinde rang um Worte. »Ich bin in Sankt Bartholomäus gewesen. Um eine Kerze für einen Freund aufzustellen.« Das war nicht einmal gelogen.
Doch Levi ließ es dabei nicht bewenden. »Seligmann sagt weiter, de werst nit mit dem Schleier gangen.«
Die Magd warf dem Knecht einen finsteren Blick zu, doch der grinste nur triumphierend.Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich in einen jüdischen Haushalt bringen zu lassen? Glaubte sie, echte Juden mit ihrer Verkleidung narren zu können? »Ist das verboten?«, fragte sie, nun kühler.Trotzdem machte sie ein paar Schritte seitwärts, um den Blick auf ihre feuchte Kleidung zu verstellen.
»Sicher is des farboten«, erwiderte Levi grimmig. »Aber des mein ich nit.’s figt sich ales zusam. De sprichst kein Jiddisch. De kennst ja kaum de Lobpreisungen! Und selbst wenn de ein Jidene bist, de nit nach der Tradition lebt, bleibt’s imer noch komisch, des de nach Sankt Bartholome gest.«
»Und se hat andere Kleider angehabt, Her!«, krähte der Knecht nun. »Krischtenkleider!« Er deutete auf das Gewand auf dem Schemel.
Levi stellte sich vor Luzinde und blickte auf sie herunter. »Ge beiseit.« Luzinde hielt seinem Blick einen Augenblick stand. Dann senkte sie das Haupt, und der Hausherr ging mit einigen langen Schritten an ihr vorbei. Er betastete das umgearbeitete Beginenkleid, stellte fest, dass es feucht war, und trug es aus der Ecke ins Licht der Laterne.
»De Kleider sind wahrlich nit ser jiddisch«, murmelte er dabei. Er sah nachdenklich auf. Offenbar fügten sich die Fakten zu einem Ganzen zusammen. »Was um aler Welt bringt dich dazu, Jidenkleider ze tragen, wenn de keine bist?«, fragte er verwundert.
»Das war Gottschalks Idee«, erwiderte Luzinde leise. »Ich sollte ihn nach Prag zum König begleiten. Er sagte, dass eine Christin und ein Jude zusammen zu viele Fragen aufwerfen.«
Levi starrte sie an, als könne er immer noch nicht fassen, was sie da sagte.
»Und was solltest ausgerechnet du mit in Prak?«
Luzinde schwieg und senkte den Blick. Dass sie als Zeugin hatte sprechen sollen, das mochte sie nicht offenbaren. Doch Levi musste verstehen! »Ihr müsst Eure Söhne nach Prag schicken!«, bat sie eindringlich. »Es ist sehr wichtig, denn der Rat von Nürnberg will den Juden dort Böses -«
»Halt den Mund«, sprach Levi düster. »Ich weiß nit, ob de wahr schprichst. Ich weiß nit, ob de ligst. Ich weiß nur, dass de dich in mein Haus geschlichen hast. Und unter meinem Dach«, er schlug mit der Hand einen Bogen, der sein Haus umfasste, »kann ich weder eine lignerische Jidene noch eine erliche Krischtenmad dulden. Pack dein Sachen und farlas mein Haus!«
Damit ging er zur Tür, während Seligmann Luzinde anfeixte. »Wo soll ich denn mitten in der Nacht hin?«, fragte sie müde.
Der Hausherr sah kühl zurück. »Des is deine Sach. Frag de Krischten, ob se dich nemen.«
So fand sich Luzinde mitten in der Nacht auf den Straßen von Pilsen wieder. Sie hatte ihr Gepäck genommen, ihre jüdischen – weil trockenen – Gewänder angezogen und war gegangen. Wieder einmal wusste sie nicht, wohin sie ihr Haupt
betten sollte. Sie streifte müde durch die Kälte, bis sie in einem Hinterhof im Osten der Stadt einen offenen Unterstand fand. Sie kroch hinter einen alten Karren mit gebrochener Achse, häufte das bisschen Stroh um sich, das sie fand, und legte alles an trockenen Decken und Kleidern über, was sie besaß. Immerhin schützte sie sich so vor dem beißenden Novemberwind. Bei einer Bewegung ratschte sie sich zu allem Überdruss den Handballen. Sie hatte nicht mal mehr Kraft für einen Fluch und wickelte einen schmutzigen Leinenstreifen darum.
Luzinde schloss die Augen und versuchte zu schlafen, doch sie fand keine Ruhe. Levis
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