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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Kopf geschüttelt und gesagt: »Gottschalk ist tot. Deine Freunde in Nürnberg sind noch am Leben.« Jetzt noch biss sich die Magd schmerzhaft auf die Lippe, um ihre Wut zu zügeln. Sollte Ulman etwa ungeschoren davonkommen? Doch der Ritter hatte Recht. »Es wird bald dunkel«, hatte sie ihm nur geantwortet. »Wir sollten die Zeit nutzen.« Und sie waren weitergeritten.
    Wenzel und sie waren heute, nach anstrengenden Reisetagen, in denen ihnen der Schnee stets unmittelbar auf dem Fuße gefolgt war, bis weit nach Sonnenuntergang durch das eingeschneite Hirschauer Land geritten. Zu Pferde kamen sie schneller voran als zu Fuß, doch da Luzinde keine geübte Reiterin war, ermüdete sie die Reise zu Pferd auf andere Art und Weise. Sämtliche Gliedmaßen taten ihr weh von der ungewohnten
Belastung. Abends konnte sie kaum gehen, so sehr peinigten sie die Innenseiten ihrer Oberschenkel. Das Wetter ließ jede Bewegung zur Qual werden und machte diesen Vorteil gleich wieder zunichte. Jetzt saß Luzinde in Decken gehüllt auf dem Strohlager und starrte in die Flammen. Es musste der Tag der heiligen Cäcilia oder der des heiligen Clemens sein, also der zwei- oder dreiundzwanzigste des Novembermonats.
    Zu allem Überdruss hatte Ritter Wenzel darauf gedrungen, dass sie nicht in Hirschau nächtigten. So tauschten sie das warme Bett in einer Herberge für den zugigen Unterstand im verschneiten Land, weil er befürchtete, man könne sie in Hirschau als die Jüdin von der Hinreise wiedererkennen.
    Die Magd wusste es besser. Menschen schauten kaum je in die Augen ihres Gegenübers, sondern merkten sich die Kleidung und das, was man repräsentierte. Da Luzinde den Judenschleier abgelegt hatte und ein schlichtes Reisegewand trug, würde niemand auch nur wagen, sie mit der ärmlichen Christin oder der jungen Jüdin zu verwechseln, die vor über einer Woche in Richtung Prag gereist waren.
    Das Reisekleid hing am Feuer und würde hoffentlich bis morgen früh wieder trocken werden. Luzinde strich unter dem Pelzmantel über den weichen Stoff des blauen Samtkleides. Das enge Oberkleid aus blauem Samt war kürzer als das goldfarbene Unterkleid und besaß Ärmel bis zum Ellbogen. Zudem war es vorne durchgeknöpft und wurde erst ab der Hüfte weiter, so dass es den Oberkörper vorteilhaft zur Geltung brachte – ein neumodischer Schnitt, den die Beginenmeisterin Vischbecken sicher verteufeln würde. Bei Hofe hingegen würde man sie ob der Schlichtheit vermutlich eine graue Maus schelten. Luzinde war es egal – sie hatte noch nie etwas getragen, das ähnlich elegant und kostbar gewesen wäre.

    Doch die Freude an dem Kleid lenkte sie nur kurz von ihrer inneren Unruhe ab. Luzinde konnte abends kaum ertragen, zum Stillhalten verdammt zu sein. Seit König Karl die Worte ausgesprochen hatte, die die jüdische Gemeinde von Nürnberg ihrem Untergang weihte, musste sie stets daran denken, was Ysaac von Schesslitz in jener abendlichen Besprechung vor ihrem Aufbruch gesagt hatte. Dass nämlich Karl die Juden von Frankfurt an den dortigen Rat verkauft und sie seiner Gnade überlassen hätte. Und nur kurz darauf seien ihre Häuser von der wütenden Menge niedergebrannt worden. Ob sie zu spät käme? Sie zwang sich zur Ruhe. Man würde in Nürnberg nicht ohne Karls Zustimmung handeln. Die käme erst noch, mit Ulman Stromer.
    Luzinde plante im Stillen schon genau, was in Nürnberg alles zu tun wäre. Man müsste alle zusammenrufen, am besten in der Judenschule. Jemand mit einem gewissen Einfluss müsste das tun, vielleicht Mose oder der Judenrichter Eberlein – oder der stets besonnene Ysaac. Man würde alle Karren und Zugtiere brauchen, die man bekommen konnte. Die Alten, Kinder und Schwachen müssten Hilfe erhalten, um ihre Wertsachen gut zu verstauen. Luzinde wusste nicht, wie die Judengemeinde in Nürnberg organisiert war, doch bislang hatte sie den Eindruck gehabt, dass man füreinander sorgte, wenn die Not dazu aufrief.
    Stumm verfluchte sie die Nacht und den Schnee, die sie zwangen, auf das Morgengrauen zu warten. Derweilen saß Wenzel auf der anderen Seite des Feuers und beobachtete sie. Er saß auf einem geglätteten Baumstamm, der längs in dem Unterstand lag, und reparierte den Sattelgurt ihres Pferdes mit Ahle und Faden. Der Helm lag neben ihm auf dem Boden, und auch Schwert und Scheide hatte er abgelegt. Er sah auf und musterte sie besorgt. »Geht es dir nicht gut?«

    »Ich wünschte, wir könnten die Nacht über durchreiten, bis wir in

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