Die Lichtermagd
verschwörerisch, »bin ich zurückgekommen, um etwas dagegen zu tun. Ich werde mir zurückholen, was mein ist.«
»Was dein ist?« Caspar runzelte die Stirn. »Und was wäre das?«
Alva die Schankmagd kam und brachte das Bier. Romer lehnte sich zufrieden zurück. »Mein Geld«, begann er, nahm einen kräftigen Zug, »meine Besitztümer, meine Werkstatt. Am wichtigsten – meinen Ruf. Und das alles mit vierzig Prozent Zinsen für die letzten, zwei, ach was, drei Jahre.« Er lachte hässlich. »Zusätzlich noch Blutgeld für meinen toten Herrn Vater, Gott sei seiner Seele gnädig!«
Michel senkte die Stimme. »Mann, Romer«, flüsterte er. »So ein Gerede ist dich das letzte Mal schon teuer zu stehen gekommen. Du solltest besser das Maul halten, sonst bringt der Rat dich dieses Mal vielleicht auf den Galgenberg!«
»Ach was«, lachte Romer. Er sollte sich noch einmal bei seinem Schneider beschweren gehen – die Tunika kniff unter den Achselhöhlen, wenn er sich rückwärts fletzte. »Der Rat wird gar nichts tun.«
»Was macht dich da so sicher?«, wiederholte nun auch Caspar skeptisch. »Immerhin haben sie dich letztes Jahr rausgeworfen.«
Romer zuckte mit den Schultern. »Das sind unbewegliche Rechenschieber, diese Leute! Die sind inzwischen so reich, dass sie gar nicht mehr wissen, wie es uns kleinen Leuten auf der Straße geht. Also warum sollte ich mir von denen etwas sagen lassen? Du weißt das doch selbst am besten, Caspar. Deine
Schulden bei dem Juden treiben dich in den Ruin. Und arbeitest du nicht seitdem mehr dafür, den Wucher zu bezahlen, als deine Schulden abzutragen? Du wirfst den Juden mehr Geld in den Rachen, als deine Frau für Kleider und Schmuck sieht oder deine Kinder für ein nahrhaftes Mahl! Und hab ich’s dir nicht gesagt? Habe ich dich nicht gewarnt?«
Das brachte Caspar wie erwünscht zum Schweigen. »Sag mir einer, dass das nicht wahr ist!« Romer sah in die Runde. »Die Juden gehören nicht hierher, und doch verdienen sie sich eine goldene Nase damit, uns auszubluten. Ist das so, wie der Herrgott es wünscht?«
Zustimmendes Gemurmel antwortete dem einäugigen Schneider. Der stand auf und winkte, vom Bier beflügelt, zum Ausschank. »Bier für alle meine Freunde hier!« Er machte eine umfassende Geste, die den ganzen Keller einschloss. Prompt schlug die zaghafte Zustimmung in laute Anerkennung um, während Alva sich eilte, der Forderung nachzukommen. Sie begann mit der Runde an Romers Tisch. »Solltest du so reden, Mann?«, fragte sie leise. Der Schneider funkelte sie an. »Ich rede, wie’s mir passt, Weib. Verdirb meinen Freunden nicht die Stimmung!« Dann erhob er sich und sprach zu allen.
»Das Judenpack lockt uns mit ihrem Geld. Sie umschmeicheln uns. Sie drängen uns ihr Gold geradezu auf. Und wenn man sie nimmt, dann schnappt die Falle zu. Und wenn man da einmal drin sitzt, dann wird man seines Lebens nicht mehr froh, was, Caspar?« Der Krämer nickte zögernd.
»Sie treiben uns anständige Christenleut mit Wonne in den Ruin!«, rief Romer, und die Anwesenden prosteten ihm mit dem spendierten Starkbier zu. »Sie raffen unsere liebsten Güter als Pfänder an sich. Kirchenkreuze, Heiligenstatuen, Messkelche! Und warum?« Er schaute fragend in die Gesichter. Dann klopfte er sich auf den Schritt und wippte mit der Hüfte.
»Um drauf zu pissen natürlich!« Die Menge johlte. »Und was macht der König?«, fragte Romer in die Runde.
»Ja, was macht der König?«, fragte jemand.
»Ich sag euch, was der König macht!«, rief Romer. »Der König macht gar nichts! Der König sagt, wir dürfen uns nicht holen, was unser ist, und warum?« Er stierte in die Runde, wie er es bei den Wanderpredigern oft gesehen hatte. »Weil sie ihn schmieren, natürlich! Mit demselben Geld, das sie uns vorher aus den Taschen gezogen haben!«
Der kleine Raum tobte bei dieser Einsicht. »Sie leben in unserer Mitte, in den besten Häusern!«, brüllte Romer. »Sie speisen das beste Fleisch! Sie trinken aus Kelchen aus Gold – aus unserem Gold!« Die Leute zischten dazu vernichtend. »Sie zahlen nicht einmal Steuern, so wie wir! Und was geben sie uns für all diese Freundlichkeiten?« Er sah sich um und lächelte. Die Männer fraßen ihm aus der Hand. Nun müsste er nur noch zum finalen Stoß ansetzen. »Sie vergiften unser Land! Sie ermorden unsere Kinder! Sie bringen uns den Tod!« Die Leute schrien nun vor Zorn und sprangen von ihren Stühlen auf. Sie stießen die Fäuste in die Luft oder hoben die
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