Die Lichtermagd
ein guter Mann.« Neben ihr schob sich Wenzel von einem Fuß auf den anderen. Der Ritter hatte ehrerbietig den Helm abgenommen und unter den Arm geklemmt, doch er fühlte sich in Gottschalks Haus auf dem Zotenberg offensichtlich unwohl. Luzinde kümmerte das nicht.
»Wie -«, setzte Mose an, doch Luzinde erriet seine Frage. Sie hatte lange darüber nachgedacht, wie sie sie beantworten sollte, und sich dann für große Teile der Wahrheit entschieden. »Ein paar Kerle in Tachau. Es – es ging recht schnell.«
»Wurd er schnel begraben?«
Luzinde sah Wenzel an, der alles veranlasst hatte. Der Ritter nickte befangen. »Ich habe für ein schlichtes Grab außerhalb der Stadt gesorgt. Er konnte natürlich nicht in die geweihte Erde … aber das stört Euch wohl kaum.« Er verstummte.
»Find’st des wider?«, fragte Mose tonlos. Auf seiner bleichen Stirn erschienen ein paar Schweißperlen. Der Ritter nickte und beschrieb den Ort kurz.
»Ich werde es auch finden«, sprang Luzinde ein. »Der Ritter hat mich auf der Rückreise dorthin geführt.« Sie hatte für Gottschalks Seele gebetet.
»Ihr misst nun geen«, bat Rebekka.
»Ich weiß, dass euer Verlust groß und schmerzhaft ist«, begann Luzinde. »Doch ihr müsst jetzt weiter denken. Ihr müsst eure Gemeinde zusammenrufen. Ihr müsst -«
»Ihr misst nun geen!«, wiederholte die Hausherrin und schob Luzinde zur Tür. »Dies is ein Schiwa -Haus.«
Mose und Rebekka ließen sich nicht erweichen. Der Knecht Fischlein, der den Arm noch in der Schlinge trug, leitete sie zur Tür. So standen die Magd und der Ritter nur wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft wieder draußen auf der Stra ße. Der Schnee war dem Regen gewichen. Die Straßen waren voll Schlamm und Matsch. Das alltägliche Leben Nürnbergs floss um sie herum, als wäre dies ein Tag wie jeder andere. Luzinde drehte sich um und starrte auf die geschlossene Tür. Sie hatten sie nicht einmal aussprechen lassen.
»Was bedeutet Schiwa?«, fragte Wenzel.
»Ich weiß es nicht«, bekannte Luzinde. »Ich denke, es ist wohl so was wie eine Trauerzeit.«
»Sie farlassen das Haus auf sieben Tag nit mer.« Luzinde drehte sich um. Dort stand Rosa, die Frau des Ysaac von Schesslitz. »Wer is geschtorben?«
»Gottschalk«, murmelte Luzinde. Die rundliche Frau wurde ebenfalls blass. Die Magd nahm sie bei den Händen. »Rosa, es ist dringend. Ich muss mit Ysaac sprechen. Er wird mir zuhören.« Als ihre Worte mit Tränen beantwortet wurden, fragte Luzinde erschrocken: »Ja, Rosa, was ist denn bloß?«
»Ysaac sizt im Loch, Luzinde«, weinte die rundliche Frau. »Se haben ihn wegen mererer Aussreiden im Kerker aingesezt.«
»Aber was für Ausreden denn?«, fragte Luzinde entsetzt.
»Aless megliche! Er hett zu vil Wucher genomen, und die Prozessionen der Krischten verheemt, und er hett Unzucht getrieben mit einem Krischtenwaib.« Da brach die arme Rosa auf der Straße in Tränen aus. »Aber des hett er nie getan! Und vom Nathan sagen se fast desselbe.«
Luzinde schob Rosa zur Türe ihres Hauses. »Rosa, Liebe, er hat es bestimmt nicht getan. Aber ich fürchte, das ist erst der Anfang.Wir müssen Nathan und Eberlein Bescheid sagen, und wer in eurer Gemeinde sonst noch Einfluss besitzt.« Luzinde verstummte. Sie wollte hier draußen auf der Straße nicht mehr als dunkle Orakel ausstoßen. »Ich muss sie treffen.«
»Ich kan se einladen, Meidel«, versprach Rosa. »Heit oder morgen Abend.«
»Je schneller, desto besser, Rosa«, beschwor Luzinde sie.
»Haste ne Bleibe?«, fragte Rosa, noch immer schniefend.
»Nein.«
»Denn bleibst bei mir, Kind, nit?«
»Sehr gerne, liebe Rosa«, erwiderte Luzinde erleichtert. »Du warst immer so gut zu mir. Ich wünschte nur … ich wünschte, die Zeiten wären nicht so schlimm.« Doch sie biss sich auf die Lippe. Wären die Zeiten weniger schlimm für sie oder die Juden der Stadt, wäre sie nie in Gottschalks Haus gekommen und hätte Rosa niemals kennengelernt.
»Werdet Ihr in Nürnberg bleiben?«, wandte sich Luzinde dann an Wenzel.
»Ja. Ich habe versprochen, für deine Sicherheit zu sorgen. Und ich habe vor, mein Versprechen zu halten.« Luzinde warf ihm einen dankbaren Blick zu.
»De bleibst natirlik auch.« Und trotz Wenzels Protest ließ Rosa sich von diesem Beschluss nicht mehr abbringen.Wenzel erhielt eine Kammer unter dem Dach, die für Gäste vorbehalten war, und Luzinde schlief bei Rosa im Bett. Die beauftragte dann die Mägde und Knechte, Essen zu machen.
»Kann ihn
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