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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Bierkrüge. Doch Romer tönte über den Krach hinweg: »Sie tragen den Schwarzen Tod unter uns Christen! Wo immer sie hingehen, da sterben Menschen! Erinnert ihr euch an das Sterben in Regensburg im Sommer? So war es auch in den welschen Landen. Und im Reich der Frankenkönige. Und in den Engellanden. Überall wo Juden sind! Und was tun wir?« Er sah sich fragend um. »Was tun wir? Wir tun gar nichts!« Widerspruch sprang im ganzen Raum auf, doch Romer fuhr fort. »Wir warten, bis sie den Schwarzen Tod auch nach Nürnberg bringen! Wir werfen ihnen unser Gold in den Rachen! Und dann sagen wir noch artig ja und Amen dazu!«
    Der Raum glich einem Hexenkessel. »Nein!«, brüllte jemand.

    »Das lassen wir uns nicht mehr gefallen!«, ein anderer.
    »Wir lassen uns doch nicht für dumm verkaufen!«, rief der Nächste, und »Wir werden den Juden ihren Platz schon zeigen!«, ein Vierter.
    »Wann ziehen wir los?«, schrie Michel hinter Romer.
    »Wir ziehen bald los!«, grölte Romer und versuchte, gegen den Tumult anzukommen.
    »Wir ziehen jetzt los!«, rief jemand. »Gibt doch genug Judenhäuser in der Stadt für alle!«
    »Ich nehme das am Augustinerkloster!«, schrie jemand, und die Menge lachte. »Ich das an der Brücke!« – »Ich die drei auf dem Zotenberg!«
    »Wir ziehen los, wenn ich es sage!«, brüllte Romer, und schlug mit dem Krug auf den Tisch, so dass die Leute wieder zuhörten. »Ich kenne mich aus damit, Leute! Wenn wir zwanzig Männer aufbrechen, um uns von den Juden zu holen, was unsers ist, dann kommen wir nicht weit! Wir müssen uns zusammentun! Sagt’s weiter, an alle, die ihr kennt!« Er machte eine große Geste mit dem schwappenden Bierkrug. »Sagt’s ganz Nürnberg weiter, wenn ihr wollt! Dann gehen wir die Juden schlagen, ob der Rat will oder nicht!« Heiser schloss er seine Rede: »Wir ziehen in ein paarTagen ins Judenviertel. Danach soll niemand mehr sagen, Nürnberg wüsste nicht, wer der Herr im Hause ist! Und jetzt eine zweite Runde für diese feinen Herrschaften!«
    So ertrank die Schlägerstimmung im Bier. Romer ließ sich erschöpft auf seinen Platz fallen und löschte seine heisere Stimme mit dem Rest Flüssigkeit aus seinem Krug. Er fühlte sich unglaublich beflügelt. Der Hass in den Augen der Männer um ihn herum, die pure Brutalität, zu der sie bereit gewesen wären, erregte ihn. Erregte ihn so sehr, dass nur das Abschlachten dieser Ungläubigen ihn hätte befriedigen können.

    »Romer -«, begann Caspar.
    »Was!«, bellte der Schneider dazwischen.Wenn der Kerl ihm jetzt mit Zweifeln käme, dann würde er ihm die Nase ins Gehirn nageln!
    Der Krämer zögerte. »Ich sag den Leuten im Krug Bescheid. Und denen im Agneskeller.«
    Der Schneider nickte. Er war selbst enttäuscht, dass sie nicht sofort losziehen konnten. Eine Schlägerei wäre jetzt fast so gut geeignet gewesen, um sich abzureagieren. »Guter Mann«, murmelte er, »guter Mann.«
    Spät in der Nacht – nach viel Schultergeklopfe und einer Rechnung, die alles übertraf, was Romer früher in einem Monat für Bier ausgegeben hatte – taumelte der Schneider zu seiner Unterkunft. Er wohnte im Roten Ross an der Stadtmauer, unweit der Sebalduskirche. Beides war von hier nur ein kleiner Spaziergang. Er taumelte durch die dunkle Stadt, über den Kirchhof von Sankt Sebaldus und über den Weinmarkt. Dann hielt der Schneider wankend inne. Ihm war noch nicht nach Schlafen zumute. Wut und Kampfeslust pulsierten in seinen Adern und schrien nach Blut – oder nach einer Frau. Doch um die Zeit war hier keine Hure zu finden, da müsste er auf die andere Pegnitzseite. Also ging er, sich an die Mauer des Augustinerklosters stützend, zum Fluss hinunter, um über die Fleischbrücke in den Südteil der Stadt zu gelangen.
    Der einäugige Mann kam kaum bis zum Ende der Mauer. Er hörte feste Schritte hinter sich. Doch bis er sich im Suff herumgedreht hatte, um mit seinem einen Auge zu erforschen, wer ihm da folgte, traf ihn ein Schlag von der Kraft eines Schmiedehammers ins Gesicht. Er fiel um wie ein Sack Mehl und spürte, wie ihm Blut in die Kehle lief. Hustend hielt er sich die Nase, als jemand in den Samtstoff seiner neuen Tunika griff und ihn wieder hochzog.

    »N-nicht!«, keuchte Romer und wich aus, doch auch dieses Mal war er zu langsam. Eine Faust traf ihn in den Magen und ließ ihn vor Schmerz vornüber klappen. Er begriff selbst durch den Nebel hindurch, dass der Kerl ihn totschlagen konnte, ohne dass er auch nur in der Lage wäre,

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