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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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jeder besuchen?«, fragte Luzinde, bevor Rosa hinüber zu Mose ging, um mit ihm Schiwa zu sitzen, wie sie es nannte.
    »Jeder Jid«, erwiderte die. »Jeder, der ihn treisten will. Aber er wird dich nit seen wollen.«
    »Geht er denn nicht zum Gebet?«
    »Nein, das wird er nit. Nur am Schabbes.«
    »Das ist ja erst übermorgen!« Luzinde schüttelte den Kopf. »Ich muss Mose und Nathan und Eberlein, und am besten alle einflussreichen Juden Nürnbergs irgendwo zusammen antreffen. Ich weiß, wenn Mose erst einmal hört, was ich zu sagen habe, dann wird er mir verzeihen, dass ich ihn in seiner Trauer störe!«
    Rosa legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Der Minjan wird sich jeden Abend bei Mose einfinden, um Maariw mit ihm zu beten.«
    Luzinde machte ein verständnisloses Gesicht. » Maariw – das ist das Abendgebet. Aber was ist …«
    »Ein Minjan bestet aus den zen Mannen, die’s fer Zeremonjen braucht.«
    »Müssen die heiligen Riten denn nicht auf geweihtem Boden, in der Schul, vollführt werden?«

    Rosa lächelte. »Ne, Kind. De Schul ist nur ein Ort. De Gemeinschaft trifft sich da, nit mer. Des Abendgebet wird nur geschprochen, wenn zen Mannen da sind. Da Mose sein Haus nit verlassen wird, kommt der Minjan zu ihm. Und da Gottschalk ein weiser Man war, werden’s sicher wichtige Leit sein.«
    Luzinde erkannte, wie wenig sie in den letzten Wochen eigentlich über das Judentum und dessen Bräuche gelernt hatte. Das Christentum erschien ihr ungleich einfacher und schlichter. Und doch hatte sie unter Christen nie diesen Willen gespürt, es dem Herrn auch im Alltagsleben in jeder Situation recht zu machen – und gleichzeitig die humorvolle Erkenntnis, dass ein Mensch diese Anforderung niemals fehlerfrei erfüllen konnte.
    »Das heißt, Nathan und Eberlein werden heute Abend bei Mose sein?«
    »Mit zemindest sieben weiteren Mannen, ja.«
    »Und wenn ich das Gebet nicht störe, könnte ich hinterher mit ihnen sprechen?«
    »Wenn’s wichtig is …«
    »Das ist es.« Und damit stand Luzindes Entschluss fest. Rosa ging, trotz ihres eigenen Leids ganz um den Nächsten besorgt, mit der gesamten Familie und einem großen Brett voll Würzfleisch bewaffnet hinüber zu Mose, um mit ihm und der Familie Schiwa zu sitzen.
    Luzinde setzte sich unterdessen an das Fenster, das zum Hof hinauswies. Sie hoffte, Bel oder Jakob würden herauskommen. Doch bis auf Rahel, die einmal über den Hof eilte, um nach dem Vieh zu sehen, zeigte sich niemand. Es war merkwürdig, jene Heimat, die sie für ein paar Wochen mit Gottschalk und Jakob geteilt hatte, nun aus dem Haus nebenan zu betrachten. Sie erinnerte sich an manche kleinliche Auseinandersetzung,
die sie gehabt hatte, und an einige kleine Freuden. Insgesamt schaute sie mit Wehmut zurück.Wie einfach das Leben ihr dort vorgekommen war! Die kleinen Sorgen einer Magd erschienen ihr mit einem Mal beinahe erstrebenswert.Wenn sie an die Zukunft dachte, dann sah sie nur dunkle Wolken am Horizont. Doch mit ein bisschen Glück und Gottes Hilfe würde alles gut werden. Noch hatten sie Zeit! Und mit diesen Gedanken begann sie, sich ihre Worte für den heutigen Abend zurechtzulegen.
     
    Luzinde saß noch am Fenster, als die Männer das Haus von Mose durch die Hintertür betraten. Nathan war dabei, Eberlein ebenso, und die anderen kannte sie nicht oder hatte sie höchstens kurz auf dem Markt gesehen. Ihr Plan ging also auf. Ungeduldig wartete sie dann, bis sie schätzte, dass das Abendgebet dem Ende zuginge. Als sie aufstand, erhob sich auch Ritter Wenzel.
    »Ihr müsst mich nicht begleiten. Ich gehe nur kurz über den Hof.«
    »Ich komme mit.«
    »Aber die Männer werden sich vielleicht bedroht fühlen, Ihr -«
    »Ich komme mit.« Sein fester Blick gestattete keine weitere Diskussion.
    Auf dem Weg die Treppe hinunter erinnerte Luzinde sich an den vorgestrigen Abend. Ritter Wenzel hatte sie nur gehalten. Auch jetzt war er noch für sie da, stets einen Schritt hinter ihr. Sie erinnerte sich an Gottschalks Worte vor mehr als zwei Monaten, als sie gefragt hatte, wie sie herausfände, ob ein Mensch ihre Liebe wert sei. »Wenn er dich libt, auch wenn’s dir nit gut geht. Und wenn er zu dir schtet, auch wenn’s kein anderer mer tut. Weißt?«, hatte er damals geantwortet. Erstaunt begann
Luzinde zu begreifen, was er ihr damit hatte sagen wollen. Sie lächelte gedankenverloren.
    Jetzt aber huschten die beiden schnell von der einen Hintertür über den Hof und hinein in die andere. Dabei lugte sie

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