Die Lichtermagd
an, und dem Gewicht nach handelte es sich um viel Geld. Der Kerl glotzte sie an.
Luzinde wollte ihm die Börse schon wieder zurückwerfen, als sie die Prägung auf dem Leder ertastete. Sie hielt inne. Obwohl sie bereits wusste, was sie finden würde, wendete sie die Börse ins Licht, das zwischen den Fensterläden hindurchschimmerte. Als sie die feine Punzierung sah, die die Form einer Rose bildete, zog sich in ihrem Hals ein so fester Knoten zusammen, dass es schmerzte. Das war Gottschalks Börse. Luzinde hatte sie bei dem Alten zuletzt in Tachau gesehen. Die Schläger in Tachau mussten sie geraubt haben, als sie den alten Mann auf der Straße erschlagen hatten.
Sie hatte es gewusst! Ulman hatte die Mörder gedungen, um Gottschalk daran zu hindern, Prag zu erreichen. Mit der Börse gestand Ulman ihr nun diese Tat. Wollte er sie verhöhnen? Oder einen letzten Respekt erweisen? Das war bedeutungslos. Sie würde ihr Wissen nicht weitergeben können.
Langsam sah Luzinde auf. Der Blick des Mannes verwandelte ihren Verdacht in Gewissheit. Der Kerl vor ihr war von Ulman gedungen worden, sie zu töten. »Warum?«, flüsterte sie starr vor Schreck.
»Das hab ich nich gefragt«, nuschelte der Kerl. »Ich mach, was man mir sagt. Ich sollt dir den Beutel zeigen, bevor ich’s tu. Gibst’s mir gleich wieder?«
»Sicher«, sagte Luzinde. Der Mann grinste und streckte eine Hand aus. Doch die Magd war nicht bereit, so schnell aufzugeben. Sie zog den Lederriemen auf, so dass die Börse offen stand. Sie hielt sie am Boden fest und schleuderte dem Kerl den Inhalt ins Gesicht. Er duckte sich unter dem Münzhagel und sprang unwillkürlich beiseite.
Luzinde tauchte an ihm vorbei und rannte so schnell sie konnte. Hinter ihr erklangen Flüche, und nur drei Herzschläge später ruckte sie zurück. Der Kerl hatte sie am Umhang gepackt. »Nein!«, schrie sie und versuchte, die Schließe ihres Umhangs zu öffnen, um freizukommen, doch das Metall lag tief in den Falten des Stoffes vergraben. Fieberhaft fingerte sie daran herum, riss und zerrte, doch der Wollstoff war zu fest verarbeitet. Langsam ging ihr die Luft aus.
»Nu mach mal keinen Ärger«, grunzte der Mann angestrengt. »Sonst tut’s mehr weh.«
Doch Luzinde dachte nicht daran, aufzugeben. Sie spürte den Stift der Schließe und zog mit Daumen und Zeigefinger daran, und endlich, endlich gab er nach und rutschte aus der Halterung. Der Umhang glitt ihr von den Schultern und sie stolperte vorwärts, während der gedungene Mörder hinter ihr zurücktaumelte. Die junge Frau rannte. Sie war frei! Doch kaum in der Durchfahrt zum Hof angekommen, knickte sie mit der Trippe um und prallte gegen die Mauer.
Der Mann packte sie am Handgelenk. »Du machst mich richtig sauer, Weib!«, keuchte er. »Vielleicht schneide ich dir doch zuerst -«
Luzinde sollte nie erfahren, was der Mann ihr zuerst abschneiden wollte. Ein Pferd schnellte unter fliegenden Schlammklumpen plötzlich heran. Es prallte mit der breiten Schulter so hart gegen den Schurken, dass er ein Dutzend Ellen zurückgeschleudert wurde. Doch das Tier hielt nicht inne, sondern rannte über den Kerl hinweg in den Hof, so dass das hässliche Knacken von Knochen und ein Schrei erklangen. Dann stieg das Pferd, warf sich herum und machte einen Satz nach vorne, so dass es neben Luzinde zum Stehen kam.
»Komm«, zischte Wenzel. »Schnell!«
Luzinde dachte nicht lange nach. Sie griff nach dem gereichten
Handgelenk und kam in einer fließenden Bewegung hinter dem Mann auf dem Pferderücken zu sitzen – ihr Schambein schlug hart gegen den hinteren Bock. Dann gab Wenzel dem Tier die Sporen, und sie sprengten aus der Hofeinfahrt.
Luzinde klammerte sich erleichtert an den Ritter vor ihr, um nicht vom Rücken des Pferdes zu rutschen. Es trug sie durch die nächtlichen Gassen. Bald zügelte er das Tier wieder, verhandelte am Laufer Tor kurz mit der Wache an der Nachtpforte, dann waren sie innerhalb der Mauern. Als die Tür hinter ihnen geschlossen wurde, kamen Luzinde die Tränen. Sie glitt vom Pferd und rang um Fassung. Ulman hatte sie töten wollen. Und sie konnte nicht einmal sagen, dass es sie überraschte. Doch die Tatsache, dass sie so knapp dem Tode entronnen war, raubte ihr für einen Augenblick die Luft. Sie stützte sich an einer Wand ab, um Atem zu schöpfen.Wenzel sprang ebenfalls von seinem Schwarzbraunen und folgte ihr besorgt.
»Er hat Gottschalk ermorden lassen«, stieß Luzinde hervor. »Wie einen Hund auf der Straße
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