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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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stehlen, geschweige denn, über Tage hinweg die Kammer zu leeren!«

    Doch die Worte waren an die Mutter verschwendet. »Sag das der Meisterin. Dreißig Schläge! Luzinde, mein armer Junge! Er wird daran zugrunde gehen! Das wird ihn zum Krüppel machen!«
    »Ich glaube kaum, dass die Meisterin auf mich hört, Anna. Es tut mir leid.« Doch sie fühlte sich bei diesen Worten nicht wohl. »Vielleicht – vielleicht sagt Thomas ihr, dass er’s nicht gewesen ist?«
    »Die Meisterin will doch nichts mehr davon hören! Wer bekennt sich schon schuldig, wenn dreißig Schläge drohen?« Anna konnte das Schluchzen nicht mehr zurückhalten und presste ihren Sohn eng an sich. Der lugte zwischen ihren Armen zu Luzinde hoch. Die großen blauen Augen mit dem vertrauensvollen Blick verstanden offenbar nicht, was die ganze Aufregung sollte.
    Plötzlich streckte er beide Arme nach Luzinde aus und wand sich vom Arm seiner Mutter. Verdutzt hielt die Magd den Buben fest. Sie verstand ihn nicht.Warum hatte er sie so ins Herz geschlossen, wenn sie ihn doch immer von sich weggeschoben hatte? Er schlang ihr die Arme um den Hals und flüsterte: »Alles wieder gut?«
    Damit war es um Luzindes Selbstbeherrschung geschehen. »Alles wieder gut«, erwiderte sie leise und blinzelte eine Träne aus dem Auge. »Anna, mach dir keine Sorgen. Dem Buben wird nichts geschehen.« Luzinde war die Einzige, die etwas unternehmen konnte. Und sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie musste mit Mutter Elisabeth sprechen. Also reichte sie den schweren Jungen wieder zu seiner Mutter hinüber und ging mit einem letzten bösen Blick zu Margaret ins Beginenhaus.
    Die Meisterin des Hofes empfing sie abseits des Trubels in der Schreibkammer. Truhen voll ledergebundener Bücher, großer Bögen abgeschabten Pergaments, Gänsefedern, Federmesser
und anderer Kostbarkeiten wurden hier aufbewahrt. Vor sich hatte sie auf einem Pult ein schmales ledergebundenes Buch liegen, das mit ihrer feinen Handschrift gefüllt war; Gänsefeder und Tinte waren noch feucht. »Was gibt es denn noch?«, fragte sie barsch. »Habe ich nicht gesagt, dass ich davon nichts mehr hören will? Der Junge bekommt seine Strafe! Denn ›wo keine Strafe verhängt wird, ist die Bosheit schnell am Werk‹.«
    »Aber«, sprach die Magd aufgewühlt, »wenn er’s denn wirklich nicht war?«
    »Und woher solltest du das wissen?«, knurrte dieVorsteherin der Beginen.
    Luzinde zögerte nur kurz. Die Wut auf die verschlagene Margaret loderte heiß in ihr. »Weil … weil ich den Schinken genommen habe, Meisterin Elisabeth.« Nun hatte sie es gesagt. Thomas würde nichts geschehen, und sie hatte die grausame Begine nicht verraten.
    In das Schweigen in der Kammer drang das laute Singen einer Drossel herein, und aus der Ferne hörte man einen der Knechte Holz für die Küche spalten. Das Holz knarrte, als die Meisterin sich mit neuem Interesse nach vorne auf das Schreibpult beugte und Luzinde musterte. » Du hast den Schinken vom Haken an der Wand des Vorratskellers geschnitten?«, fragte sie ganz beherrscht.
    Luzinde nickte. »Ja, Herrin.« Sie atmete tief durch. Die Schläge würde sie irgendwie ertragen.
    »Und wie erklärst du dir, dass der Bube Thomas vom Speck in seiner Strohbude im Stall gehabt hat?«
    Wieder zögerte die Magd. Natürlich wusste sie, dass Margaret den Speck dort platziert haben musste. Doch es gab nur eine logische Antwort. »Ich habe ihm was gegeben – vom Schinken. Der Bub wusste nicht, dass er gestohlen war. Ihr dürft ihn nicht
schlagen lassen. Er trägt wirklich keine Schuld!« Luzinde fühlte sich so intensiv gemustert wie nur damals, als sie nach ihrer Genesung um Arbeit in der Klause gebeten hatte.
    »Das zumindest glaube ich dir inzwischen«, nickte die Meisterin und lehnte sich wieder zurück. »Wer aber war es dann?«
    Luzinde konnte nur überrascht stottern. »Wie – wer? Aber ich – ich habe Euch doch gerade gesagt, dass ich -«
    »Ich weiß, was du gesagt hast, Luzinde. Dass du den Schinken gestohlen hast. Aber ich glaube dir nicht. Und weißt du auch, warum?« Die Magd schüttelte stumm den Kopf.
    »Weil der Schinken in den letzten Tagen nicht an den Wandhaken im Vorratskeller hing. Die Kellermeisterin Kunigunde hatte ihn an die Deckenhaken in der Getreidekammer gehängt, weil sie sich so besseren Schutz vor Ratten erhoffte.«
    Dazu wusste Luzinde nichts zu sagen. Ihre Wangen leuchteten rot auf. Sie wappnete sich gegen das nun sicher folgende Donnerwetter.
    Tatsächlich stieg

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