Die Lichtermagd
läge.
Als Luzinde in zwei kalten und regnerischen Wochen mit weniger und weniger Fischen aus den Teichen zurückkehrte, weil es dauerte, die Reusen allein aus dem schmerzhaft kalten Wasser zu ziehen und wieder hineinzubringen und Margaret sich standhaft weigerte, das Wasser auch nur mit den Zehenspitzen zu berühren, ließ die Meisterin Elisabeth Vischbecken sie erstmals rufen und blickte sie strafend an. »Luzinde, so kann das nicht weitergehen. Du machst deine Arbeit schlampig, du bist lustlos und mürrisch, redest kaum noch ein Wort mit jemandem. Am schlimmsten aber ist, dass das Essen nicht mehr regelmäßig auf den Tisch kommt. Und wenn das Essen nicht da ist, dann werden auch die anderen Frauen borstig.« Luzinde richtete ihre Augen fest auf den Holzboden der Schreibkammer im Beginenhaus, in dem die Meisterin empfing. Warum fragte die Meisterin nicht mal Schwester Margaret, weshalb die Arbeit nicht getan wurde? »Margaret sagt, du würdest ihr die Arbeiten gar nicht so recht beibringen, seist unwillig und frech, und sie sei allein damit überfordert. Warum bist du plötzlich so faul geworden, Mädchen?« Die Magd schwieg, und so runzelte die Meisterin ärgerlich die Stirn.
»Ich kann arbeitsscheue Frauen auf diesem Hof nicht dulden. Ein fauler Apfel im Korb verdirbt die ganze Ernte. Wenn du dich nicht besserst, dann muss ich dich fortschicken.«
Diese Worte schreckten Luzinde mehr als alles, was Margaret
ihr an den Kopf werfen konnte. »Fort?«, fragte sie leise. »Aber wohin denn?«
Die beleibte Meisterin schnaufte und hievte sich aus ihrem Stuhl. »Das ist nicht mein Problem. Lass es nicht dazu kommen.«
Von diesem Tag an wurden Luzinde und Margaret nicht mehr zu den Teichen geschickt. Die neue Begine frohlockte. »Mach nicht so ein Gesicht, Luzinde! Keine Blasen mehr an Füßen und Händen, kein kaltes Wasser mehr, nie mehr regendurchnässt von einem langen Gang zurückkehren! Wir haben Grund zum Feiern!« Luzinde aber trauerte dieser Pflicht nach.
Stattdessen erhielten die beiden unterschiedlichen Frauen jetzt mehr Arbeit in Küche und Stall. Besonders über Letztere murrte Margaret noch mehr als über das Fischen, denn Mist schaufeln hielt sie für unter ihrer Würde. Zudem konnte sie sich in der Nähe der anderen Beginen nicht so vollständig vor der Arbeit drücken, wie ihr das außerhalb des Hofes gelungen war. Den Ärger darüber ließ sie an Luzinde aus, die des Nachts kaum noch ein Auge zutat und jedem neuen Morgen mit Bangen entgegensah. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit, bisweilen mit Anna zu plauschen. Damit schwand auch Luzindes letzte Freude im Leben.
Früher hätte sie sich mit dem Stolz der Tochter eines freien Mannes gegen Margarets Hohn gewehrt. Nun lastete deren Joch schwer auf ihr, und sie wusste nicht, wie lange sie es noch würde tragen können. In manch schwarzer, banger Morgenstunde, wenn Almut leise neben ihr atmete, fragte Luzinde sich, ob sie nicht tatsächlich lieber fortgehen sollte, um ihr altes Ziel zu verfolgen. Doch dann überfiel sie stets eine klamme Furcht. Schon einmal war sie aus ihrer Heimat vertrieben worden und hatte gedacht, sie müsste sterben. Damals hatte Gott
sie an die Tore dieser Klause geführt und ihr hier ein neues Zuhause geboten. Doch man hörte schlimme Geschichten von Frauen, denen die Gnade des Herren nicht hold war, die hungern und betteln oder gar ihre Tugend verkaufen mussten, um nicht zu sterben. Und dann weinte Luzinde nachts leise, denn obwohl ihr die Leibeslust vertraut war und Margaret sie gerne eine Hure schimpfte, wollte sie doch keine Hübscherin werden, die jedem zu Willen sein musste, der sie bezahlte. Sie war gerne in Pillenreuth. Dieser Ort bot ihr Schutz, hier hatte sie ein gesichertes Leben. Sie besaß Freunde, ja beinahe eine neue Familie.
Auch Anna bemerkte die Veränderungen in Luzindes Wesen. Im Gegensatz zur Meisterin hatte sie auch schnell die Ursache dafür erkannt. »Seit die neue Witwe da ist, benimmst du dich wie ein Einsiedler. Was drückt dich denn bloß so nieder, dass du kaum noch lachst?«
»Es ist nichts«, erwiderte Luzinde auf solche Fragen stets. Und obwohl Anna ihren Worten keinen Glauben schenkte und sie immer merkwürdiger ansah, stellte sie irgendwann keine Fragen mehr.
Auf dem Hof Pillenreuth war an jedem dritten Mittwoch im Monat Schlachttag. Das war harte Arbeit, denn es mussten genug Schinken und Würste für vier volle Wochen gemacht werden. Selbst wenn das nicht immer gelang, schaffte die Köchin
Weitere Kostenlose Bücher