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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Doch Luzinde war es zufrieden – sie hatte nicht mehr so viel Raum für sich allein gehabt, seit sie das Haus ihres Vaters hatte verlassen müssen. Dass sie auch gleichzeitig die beiden Kühe und die Hühner zu versorgen hatte, störte sie nicht.
    Auch durfte sie nicht an den Mahlzeiten teilnehmen wie die Knechte und die Magd, sondern sollte allein für sich essen. In dem Anbau gab es für solche Zwecke eine kleine gut ausgemauerte
Feuerstelle, die über einen Abzug gleichzeitig ihre darüber liegende Kammer beheizte. Hier gab es auch Grapen zum Kochen, ein paar Stücke Geschirr aus Holz und Ton, Messer und Löffel sowie Vorräte an Mehl,Trockenobst und Rüben. Luzinde vermutete, dass hier vor kurzem noch die andere christliche Magd gewohnt hatte, von der Rebekka gesprochen hatte. Wer sie wohl gewesen war? Was hatte sie getan, um sich das Schimpfwort Luder einzufangen? Und warum war sie gegangen?
    Weitere Überraschungen warteten auf Luzinde, als Rahel ihr die Aufgaben erläuterte. Sie sollte nicht kochen, sie sollte nicht backen. Man verbot ihr sogar die Kuh zu melken. So schmal das Haus auch war, es gab darin zwei Küchen, die von der Feuerstelle bis zum Spülstein komplett ausgestattet waren. Und beide waren in Benutzung. Beim Spülen durfte Luzinde helfen, doch Rahel überwachte die Arbeiten streng, damit sie das Geschirr nicht vermischte – was immer das auch bedeuten mochte. Überhaupt gab es viel kostbares Geschirr im Hause, und es wurde mal dieses, mal jenes benutzt, ohne dass Luzinde darin einen Sinn erkennen konnte. Ansonsten durfte sie in den großen Küchen nur den Boden und die gemauerten Feuerstellen ausfegen. Doch wenn sie kaum in der Küche helfen sollte, musste es einen anderen Grund für ihre Anstellung geben. Oder geschah dort etwas, was sie nicht sehen sollte?
    Als Nächstes versammelte sich die Familie zum Gebet in der Stube. Der Singsang wurde von Gottschalk in einer Sprache heruntergeleiert, die weich und melodiös klang. Das musste die Sprache der Hebräer sein. Sie klang fremdartig und unterschied sich von allem, was Luzinde je gehört hatte. Als Zweites redete die Familie in derselben Mundart wie jeder andere Mensch in Nürnberg auch. Und als Drittes sprachen sie jene schnelle, beinahe verständliche Sprache, das Jiddische. Im Alltag vermischte die Familie diese beiden letzten zu unterschiedlichen
Teilen, so dass die christliche Magd sie so halb verstehen konnte. Manche Worte sprachen sie bloß anders aus, wie etwa Schtub für Stube, oder Schtot für Stadt. Andere wiederum, wie Schiksa, Schabbes oder Zeyde erschienen ihr sehr fremd. In jedem Falle hatte sie das dringliche Gefühl, dass besonders die Frauen immer über sie sprachen, wenn sie miteinander in merkwürdigen Ausdrücken schnatterten. Wenn sie dann lachten, glühte Luzinde der Kopf.
    Am Nachmittag zogen die Männer gemeinsam zum Gebet in die Judenschule oder Schul, wie Gottschalk nur sagte, und die Frauen gingen in etwas, das sich Mikwe nannte und anscheinend sehr wichtig für Bel war. Die Männer setzten sich dafür Hüte auf – Gottschalk seine Kappe, Mose einen spitzen Judenhut -, und die Frauen legten Schleier mit blauen Borten über ihre Kopftücher, denn die Juden mussten sich auf der Straße von den Christen unterscheiden. So wollte es das Gesetz.
    Luzinde war nur recht, dass alle aus dem Hause gingen. So konnte sie in aller Ruhe den Verband an ihrem Bein wechseln. Darunter prangte ein sich bereits verfärbender schwarzer Bluterguss, der unangenehm pochte. Danach hatte sie noch genug Zeit, sich im Haus ein wenig umzuschauen. Sie stöberte in der Stube herum, schnupperte an den Gewürzen in der Küche und entdeckte dort wahre Reichtümer. Sogar Salz und Pfeffer, Safran und diesen herben römischen Kümmel gab es hier in Hülle und Fülle! Dann wanderte sie durch den verwinkelten Innenhof, um zu ihrer Kammer zu gehen.
    Der Hof war für einen städtischen Innenhof geradezu großzügig geschnitten. Gottschalks Familie teilte ihn sich mit der jüdischen Familie, die in dem Haus daneben wohnte. Im Hof stand auch noch eine kleine Hütte, ein armseliges Ding, in dem die Familie ihre Mahlzeiten einnahm. Luzinde fand sie recht hübsch – sie war mit Blättern, Stroh und Früchten geschmückt.
Doch bei näherem Hinsehen entdeckte sie, dass das mit Hölzern und Stroh gedeckte Dach bereits beschädigt war und es hineingeregnet hatte. Was es mit diesem Ding wohl auf sich hatte?
    Die Familie war bald zurückgekehrt und unterbrach

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