Die Lichtermagd
wog schwer.
»Nürnbergs Dienste werden angenommen«, sprach König Karl schließlich. »Wir, Karl von Böhmen, Römischer König, heißen Nürnberg wieder unter der Krone willkommen! Wir freuen uns sehr, dass diese unsere liebste Stadt in den Schoß des Reiches zurückgekehrt ist.« Damit nahm einer seiner Ministerialen den Schild mit dem Stadtschlüssel entgegen. Hosto ließ die zitternden Arme erleichtert sinken und sah auf den König, der noch immer auf seinem Holzthron unter dem Baldachin saß. Karl wirkte stets ein wenig gestaucht. Sein braunes schulterlanges Haar erschien im trüben Licht dieses Regentages dunkel, die Bartwulst über den Lippen und derVollbart am Kinn ließen das breite Gesicht noch breiter wirken. Er musste jetzt etwas über dreißig Jahre alt sein. Seine Miene war schwer zu deuten, die dunklen Augen aufmerksam und kühl. ›Er würde einen guten Kaufmann abgeben‹, dachte Hosto bei sich. Und genau das würde die Eigenschaft sein, die Karl und Nürnberg wieder zusammenführen würde.
»Hat man die verantwortlichen Aufrührer gefasst?«, fragte Karl, bereits wieder so sachlich wie bei einem Geschäftsabschluss.
»Das hat man, mein Fürst«, bestätigte Hosto noch immer kniend. »Rudel Geißbart befindet sich im Gefängnis der Stadt.«
»Wir werden in den nächsten Tagen Gericht halten«, verkündete Karl. »Über jene, die die Schuld daran tragen, dass Nürnberg sich dem Reich so lange widersetzt hat.« Dabei traf sein Blick den von Hosto, und der Ratsherr bekam eine Gänsehaut. Natürlich wusste der König, dass auch er in dem aufständischen Rat gesessen hatte. Doch im Gegensatz zu Rudel Geißbart hatte Ulrich Stromer dem König noch etwas zu bieten – nämlich Geld, Macht, Einfluss. Hosto hoffte, dass Karl seinen Geschäftssinn über seine Wut und Enttäuschung siegen lassen würde.
»Ihr, Ulrich Stromer, wart Eurer Stadt immer ein guter Diener«, sprach der Herrscher nun kühl. »Lasst diese Eure Treue niemals wieder in Widerstreit mit Eurer Treue für das Reich treten! Denn wenn Wir noch einmal vor die Mauern Nürnbergs marschieren müssen, um Eure Gefolgschaft einzufordern, werden Wir nicht so gnädig sein!«
Mit einer so deutlichen Anklage hatte Hosto nicht gerechnet. Doch er hatte eine Antwort parat. »Mein Fürst, dem Reich war ich stets loyal. Im Gegenteil, wäre meine Treue zu Euch und dem Thron nicht weit geringer gewesen, wenn ich diese Eure liebste Stadt hätte verkommen lassen? Sollte ich die Verwaltung, die Kasse, ja die Wehrfähigkeit denn simplen Hufschmieden und Tischlern überlassen? Nein, mein Fürst, jemand musste dafür sorgen, dass Nürnberg nicht vor die Hunde geht!« Nachdem er gesprochen hatte, warnte ihn ein Flattern im Magen vor der Reaktion des Königs. Dieser hatte die Augenbrauen zusammengezogen. War seine Rede zu forsch gewesen? Egal, nun konnte er nicht zurück. »Wenn mich dies in Euren Augen herabsetzt oder mich gar Eure Freundschaft kostet,
dann beweine ich dies mit heißen Tränen. Aber mehr noch würde ich weinen, wenn Nürnberg Euch nun nicht mehr zu Diensten sein könnte, weil die Ehrbaren Familien Euren Zorn zu sehr gefürchtet hätten. Denn ich liebe diese Stadt mehr als mein Leben. Sie zu erhalten war stets mein Ansinnen. Wollt Ihr mich für diese Liebe richten? Dann nehme ich Euer Urteil in Demut an, mein Fürst.«
Die Stille, die seinen Worten folgte, bewies, dass Hostos Worte nicht ohne Wirkung geblieben waren. Ja, sie waren dreist gewesen, und, ja, ein Geringerer würde dafür vermutlich den Kopf verlieren. Nur das Mitglied von einer Handvoll Familien im Reich konnte so mit einem König sprechen. Zumindest hoffte er das.
Endlich sprach der Herrscher. »Erhebt Euch, Freund Stromer.« Selbst Hosto atmete erleichtert aus. Doch der König war noch nicht fertig. »Das nächste Mal aber überlasst es Eurem König, eine abtrünnige Stadt zurück ins Reich zu holen!«
»Ja, mein Fürst«, sprach Hosto bescheiden. Doch sie beide wussten, dass es kein nächstes Mal geben würde. Ulrich stand auf, näherte sich dem nun aufrecht stehenden König und küsste seinen Ring in einem weiteren, tiefen Kniefall. Dann wies er auf den jungen Ulman Stromer hinter sich.
»Mein Fürst, dies ist mein Neffe Ulman Stromer. Ich bitt Euch, lasst ihn meinen Platz in Eurem Herzen einnehmen. Er ist ein junger Stier, der sich die Hörner in Barcelona, Genf und Genua abgestoßen hat und nun bereit ist, vor Euren Wagen gespannt zu werden!« Auch Ulman kniete nieder und
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