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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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erwartete, von dem Herrscher angesprochen zu werden.
    »Erhebt Euch, junger Stromer. Mit Eurem Oheim habt Ihr einen der besten Lehrmeister des Reiches. Er wird Euch so tief in die Geheimnisse seiner Geschäfte einweihen, dass es Euch Könige und Päpste neiden werden.«

    Ulman erhob sich wieder, doch er schüttelte den Kopf. »Ein König muss niemals einem Kaufmann neiden, mein Herr. Er wird in seiner Gnade dessen Gaben annehmen, die stets freiherzig angeboten werden.«
    Ein erstauntes Lächeln überzog Karls Miene. »Wie ein Stromer gesprochen, junger Mann. Ihr seid stets willkommen in meinem Haus.«
    »Ich danke Euch«, Ulman verneigte sein Haupt tief, während Hosto zufrieden nickte.
    »Morgen«, verkündete der König laut, »wollen Wir die Stadt betreten und die Kaiserburg wieder in Besitz nehmen.«
    Dann gab der König ein Zeichen. Diener hoben den Baldachin an und trugen ihn in langsamem Schritt den Hügel hinunter zurück in die Zeltstadt, in der Karl residierte. Mit der Kaiserburg würde er nicht nur Nürnberg wieder für das Reich beanspruchen, das wusste Hosto. Auch die Kaiserburg war ein Symbol – das Zeichen dafür, dass Karl Anspruch auf den Kaiserthron seines Großvaters anmeldete.
    Hosto lächelte hintergründig. Heute hatte er hoch gespielt und gewonnen. Der Grund dafür war genau jener Ehrgeiz, der ihn mit Karl verband. Sie gaben sich beide mit nichts Geringerem als dem höchsten Ziel zufrieden. Wollte Gott, dass sie es beide erreichen würden. Ein starkes Nürnberg an Kaiser Karls Seite – das wäre eine Bündnis, das das ganze Reich auf Jahrhunderte stärken und prägen würde. Und Hosto wusste auch schon, wer diese Bande schmieden würde.
    »Komm, Ulman. Lass uns endlich trockene Hosen anziehen, verdammt noch mal!«

KAPITEL 6
    An ihrem ersten Tag in Gottschalks Diensten blinzelte Luzinde in die skeptischen Gesichter der anderen vier Mitglieder seiner Familie.
    »Ist se furchtsam?«, fragte der kleine Sohn Jakob, der vielleicht sechs oder sieben Jahre alt war.
    »Nein, se is en Krischten«, erklärte der Alte.
    »Weiß se denn, wie man Gescherr kaschert und Mazzen macht?«, fragte die Tochter Bel, die etwa doppelt so alt wirkte wie ihr Bruder. Luzinde hatte keine Ahnung, was das Kaschern von Geschirr sein sollte, oder was Mazzen waren. Aber das wollte sie auch gar nicht.
    »Nein«, erwiderte Gottschalk geduldig, »weiß se nit, se is ja kein Jidene. Aber de Rahel weiß des, s’is also nit schlim.«
    »Wie kan eine Frau so alt sein und des nit wissen? Wascht se sich denn richtig?« Bel verzog angewidert die Lippen. »Oder is se gar tame ?« Sie wandte sich an die Mutter und wechselte einige Sätze in einer schnellen Sprache, die Luzinde beinahe zu verstehen meinte.
    »Natürlich wasche ich mich«, erwiderte die Magd so höflich wie möglich. »Auch meine Ohren.« Der Bube, Jakob, kicherte.
    Doch bei Rebekka, seiner Mutter und Gottschalks Schwiegertochter traf der schnippische Kommentar auf wenig Verständnis. Von ihr sah man nur das ovale Gesicht, denn wie Rahel und Bel verbarg sie ihr Haar vollständig unter Kopftüchern. »Unser lezte Schabbesmad war en Luder«, meinte Rebekka kühl, sprach Luzinde aber immerhin direkt an. »Ich hoff de bist kein Schlechtss.«

    »Ja. Herrin.«
    »Des Sefer Wajikra sagt: Wie der Eingeborne unter euch sei euch de Fremde, der bei euch weilet, und de sollst ihn liben wie dich selber; denn Fremde wart ihr im Lande Mitzrajim«, zitierte Gottschalk.
    Mose, der Vater der Kinder und Rebekkas Mann, hatte bislang geschwiegen. Er zählte bereits über dreißig Jahre. »Meint des nit eher andere Jidene, Foter?«
    »Dariber kan man schtreiten«, lächelte der Alte.
    Der Sohn begrüßte Luzinde daraufhin ebenfalls. »Wilkum.«
    »Danke, Herr.«
    Nun betrachtete Rebekka Luzinde von oben bis unten und wandte sich stirnrunzelnd an ihren Mann. »Se is en rechter Schlaks, nit?«
    Mit diesen wenigenWorten gelang es der Herrin des Hauses, die Magd sowohl an Margarets üble Beschimpfungen und Mutter Agnes’ arrogante Ablehnung zugleich zu erinnern. Luzinde beschloss, dass sie die Frau nicht mochte.
    Damit war die Vorstellung abgeschlossen, und Rahel führte sie durch das Haus. Luzinde durfte zu ihrer Enttäuschung nicht in der warmen und gemütlichen Kammer im Haus schlafen, in der sie zum ersten Mal erwacht war. Stattdessen musste sie in einem Raum über dem kleinen Stall nächtigen, der an der Seite des kleinen Hinterhofs lag, an den fünf Häuser von drei Seiten angrenzten.

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