Die Lichtermagd
schaue mich in der ganzen Familie nach jungen Männern um, die mir einmal nachfolgen könnten. Du hast die Ausbildung. Du hast das Talent. Nun musst du lernen, das Spiel zu spielen.« Der ältere Mann lächelte seinen Neffen an. »Und wenn Gott uns hilft und du diese Schwärmerei unter Kontrolle bringst, dann wirst du ein verdammt guter Spieler werden.«
Ulmans Stimme war rau, als er endlich sprach. Sicher, das Vertrauen des Onkels schmeichelte ihm, und die Aussicht auf so viel Macht war verlockend. Doch etwas in ihm revoltierte. »Dein sogenanntes Spiel kommt mir recht dreckig vor, wenn ich das so sagen darf.« Verächtlich stellte er das leere Glas
ab. Er sollte es besser wissen, als seinen Onkel, den machtvollsten Mann der Familie und damit auch einen der bedeutendsten Männer Nürnbergs, zu verärgern, doch er konnte nicht anders.
Doch Hosto lachte ihm entgegen. »Siehst du, Junge, bei mir darfst du sagen, was du willst.« Er nahm die Füße vom Tritt und beugte sich vor. Sein funkelnder Blick bohrte sich in Ulmans. »Aber wehe, du vergisst dich bei einer Verhandlung. Das kann die ganze Familie zerstören, Ulman! Du bist jetzt nicht mehr nur ein reisender Kaufmann! Du bist ein Stromer, Herrgott!« Ulman erkannte plötzlich in dem untersetzten Gesicht die scharfen Züge, die sein Oheim in seiner Jugend besessen haben mochte. Die Ähnlichkeit mit seinen eigenen war verblüffend, nur dass Hosto härter wirkte und blond war. Wäre der Alte zwanzig Jahre jünger, man könnte sie beide wohl für Brüder halten. So wirkten sie trotz der verschiedenen Haarfarben mehr wie Vater und Sohn als Ulman und sein leiblicher Vater Heinrich, der bis vor zwei Jahren hier in Nürnberg lange selbst einen Teil der Familiengeschäfte geführt hatte.
»Ihr habt mich viel gelehrt und meine Ausbildung gefördert. Also will ich kein undankbarer Schüler sein«, brachte Ulman mühsam heraus. Nein, er wollte den Onkel nicht zum Feind haben.
»Wunderbar!«, lachte Hosto. »Du lernst die Arschkriecherei.« Und damit füllte er die Weinpokale nach. »Ich weiß auch schon, wie du dir hier in Nürnberg die ersten Sporen verdienen kannst. Was hältst du von den Juden?«
Ulman zuckte mit den Schultern. »Was soll ich von ihnen halten, Oheim? Man würde sie wohl nicht mehr in der Stadt dulden, wenn sie nicht ein gutes Gespür für das Geld hätten. Doch viele Leute hassen sie dafür.«
»Du nicht?«
»Warum sollte ich? Mir hat noch keiner von ihnen etwas getan. Bei den meisten handelt es sich um gebildete Leute. Und sie sind auch nicht verschlagener als andere Menschen. Sicher, sie sind verbohrt und unbekehrbar. Aber ich schere mich wenig um die Religion.«
»Es ist gut, das du so eine hohe Meinung von ihnen hast.«
»Warum, Oheim?«, fragte Ulman, nun doch neugierig geworden.
»Du wirst dich mit den Nürnberger Juden anfreunden. Als Erstes mit Gottschalk von dem Steyne, meinem Nachbarn«, Hosto deutete auf eine Wand.
»Was ist er für ein Mensch?«
»Gottschalk ist ein weiser alter Hund und besitzt daher viel Einfluss bei den Juden. Er nimmt nie den Kopf hoch, wenn er nicht muss, und so bekommt er auch nie etwas ab, wenn die Scheiße fliegt.«
»Also ein Feigling.«
»Ein geschickter Verhandler.« Der ältere kippte Wasser in seinen Rotwein und machte es sich wieder gemütlich. »Also, wirst du das für mich tun?«
Ulman beobachtete, wie Hosto den verdünntenWein schnell herunterkippte. Er hatte großen Respekt vor seinem Onkel gewonnen, doch in mancherlei Hinsicht erschien dieser ihm grob und unzivilisiert. In jedem Falle konnten Ulman die Kontakte zu den Juden in Nürnberg nicht schaden. Im Gegenteil – vielleicht lernte er von ihnen noch etwas über das Geldleihgeschäft, in dem sie doch so bewandert sein sollten. »Natürlich, Oheim.«
»Wunderbar! Darauf trinke ich.«
Damit hoben sie ihre Gläser und prosteten einander zu. Der vollmundige Geschmack rollte weich über seine Zunge. Bei welschem Wein schlossen sich die besten Freundschaften. Ulman
würde Gottschalk ein Fass davon mitbringen. Vielleicht wusste der Alte einen guten Tropfen sogar besser zu würdigen als der Onkel hier.
»Oheim«, fragte Ulman schließlich, »was willst du denn von den Juden?«
»Das, mein Junge, das werden wir besprechen, wenn du ihre Freundschaft gewonnen hast.«
Mit dieser Antwort musste sich Ulman begnügen.
KAPITEL 8
Der Tagesablauf der Juden erschien Luzinde beinahe so fest in Stein gemeißelt wie die klosterähnlichen Regeln auf dem
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