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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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die Stirn. Der Mann hatte offenbar sein Zeitgefühl verloren, denn das ganze Spektakel war ja kaum ein paar Stunden her.
    »Das habe ich inzwischen verstanden«, sagte sie. »Was ich nicht verstehe, ist, warum Rebekka so wütend darüber war, dass ich die Kerzen angezündet habe. Was habe ich ihr denn bloß getan, dass sie mich so hasst?«
    Ein gütiger, amüsierter Blick traf sie. »Mit dem Anschtecken der Karzen vor dem Nachtmol fangen wir den Schabbat an. De Herin des Hauses schteckt de Karzen an und benscht denTisch. En anderer tut des nur, wenn se nit do is.«
    »Oh Maria und Jesus«, murmelte sie. »Ich habe mich in der Rangordnung über sie gestellt.«
    Der Alte nickte. »Und hast beinah den Bund gebrochen, der das Folk Jsrael und den Schabbat verbind’t.«
    »Warum durfte ich dann heute die Kerzen anzünden? Nicht einmal Rahel wollte es tun.« Luzinde widerstrebte es, diese Fragen zu stellen, doch wenn sie den Fehler nicht noch einmal begehen wollte, dann würde sie endlich lernen müssen, wie sie sich zu verhalten hatte.
    »Es gibt file Gebote der Schrift, die wir Jiden am Schabbat zu befolgen haben. Es wird fil gebetet. Ein besonder’s Mal gegessen. Und wer dirfen am Schabbat kein Feier anschtecken oder ausmachen. So wie wir auch keine Schlingl schlisen oder aufmachen derfen. Deswegen steln wer ja ein Schabbesgoje an.«
    »Daher die Sache mit dem Dach der Hütte!«, rief Luzinde
aus. »Aber warum hat Mose es dann nach dem Essen doch selbst befestigt?«
    Nun lächelte Gottschalk und klappte sein Buch zu, um ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. »Bei uns beginnt der Tag mit dem Untergang der Sonne, Luzinde. Noch dem Essen is’ der Schabbes farbai, und damit is auch die Schabbesru farbai. Also derft Mose des Schlingl selbst machen.«
    Luzinde blinzelte erstaunt. »Ihr habt merkwürdige Sitten. Wer denkt sich das bloß alles aus? Und wer kann sich das alles merken?«
    »Des is aless nidergeschriben. Ist’s denn andersrum weniger merkwirdik, den Leib des Herrn zu schpaisen?«
    Darauf wusste die Magd keine Antwort, auch wenn sich Widerspruch in ihr regte. »Und was ist dieses Lauberfest? Warum ist sie nun kaputt?«
    »Hast den Jakob nit gefragt?«
    Luzinde schüttelte nur den Kopf. Der Junge hasste und piesackte sie, wo er nur konnte. Ihn würde sie sicherlich nicht wegen solcher Dinge befragen.
    »Des dauert acht Tog, die wir darin wonen und essen, so oft wer kennen. Des is’ ein Erinnerung daran, dass de Herr uns in armseligen Hitten hat wohnen lasen, als er uns aus Egipten weggefirt hat, und des ale Giter der Welt vergenglich sind. Und wir freien uns und feiern, denn dann is der Her mit uns, und nur der Her ist ewig.«
    »Aha«, machte Luzinde widerwillig.
    »Ich weiß, des willste aless nit wissen. De alte Schabbesgoje wollt’s auch nit wissen.«
    »Hat die sich anfangs auch so ungeschickt angestellt?«
    »Sicher. Die Regeln der Jidenen sind kompliziert.Wir brauchen im Haus jemanden, der ihnen nit folgen muss. Schabbes is jede Woch. Do hats jemanden netig, der die Karzen anschteckt,
des Faier ausmacht, dringende Briwe schreibt und Ding aus dem Haus oder in das Haus hinein tregt. In den letzten Monaten hat des de Gertrud fer uns gemacht. Hat fil mit den Kindern gemacht.«
    »Hat sie sich denn auch um die Kinder kümmern müssen?«, fragte Luzinde erstaunt und war ganz froh, dass das nicht zu ihren Aufgaben zählte.
    Da runzelte Gottschalk die Stirn. »Hat se. Se hat Rebekka ser geholfen. Ich bet darum, dass sie de beiden nicht zu sehr fardarbt hat.«
    »Verdorben?«, riet sie, und der Alte nickte. »Warum verdorben?«
    Er musterte sie aus hellgrauen Augen. »Se hat einen Man in mein Haus gebracht und hat bei ihm gelegen. Ich dulde nit, dass sich die Frauen unter meinem Dache farschmuzen. Des Leben is schwer genug fer uns, ohne, des man mir Unzucht mit einer Krischtin nochsegt.«
    Deshalb hatte die letzte Magd gehen müssen. Und Luzinde hatte bereits Schlimmstes vermutet. Sie senkte den Blick und spürte, wie sie rot anlief. Würde er sie auch des Hauses verweisen, wenn er von ihrer Vergangenheit erfuhr? Sie schluckte, als sich Schweigen in der Kammer ausbreitete. Die Holzdielen knarrten laut unter ihren Füßen, als sie das Gewicht verlagerte. Wartete der Alte auf eine Erklärung?Wenn ja, dann blieb sie ihm diese schuldig.
    »Ich hatt einen Oheim namens Mosse«, murmelte der alte Mann in die Stille. Luzinde wollte nicht aufsehen, tat es dann aber doch. Was hatte er ihr damit sagen wollen? Der Mann

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