Die Lichtermagd
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»Des is doch …«, unterbrach Rebekka ihn, offenbar wütend darüber, dass der Nachbar ihre Autorität unterstützen wollte, »de wirst jezt de Schlingl zumachen! Sonst …«
»Rebekka, Freindin«, begann Rosa und legte der anderen Frau die Hand auf den Arm, doch Luzinde unterbrach sie nun ihrerseits.
»Das ist unheilig, Rebekka!«, stieß sie aus. »Ich will damit nichts zu tun haben, verstehst du?« Dann drehte sie sich um und ging mit schnellen Schritten zum Haus, bevor die andere Frau sie wieder vor all den Leuten zu schlagen versuchte.
»Kom zerik!«, zischte Rebekka hinter ihr. »Kom her de faule Geylerin!« Doch Luzinde gehorchte nicht.
»Du farfluchte Christenschlumper! Mose!«, kreischte Rebekka nach ihrem Mann, »des Waib muss weg! Ich will se aus dem Haus! Se soll nie wider zurik! Sprich mit dem Foter, Mose, oder ich schlak se selbst raus!«
In der Küche angekommen belud Luzinde zitternd ein Brett mit dem bereitstehenden Gemüse. Die Arbeit zu verweigern lag ihr fern. Sie wollte bloß nichts mit den jüdischen Ketzereien zu tun haben. Dann nahm sie den verschlossenen Grapen vom Feuer, in dem das Essen den ganzen Tag gesimmert hatte. Von draußen drangen Rebekkas schrille und Moses leise Stimmen herein. Nach einer Weile trat Mose in die Küche.
»Rebekka sagt, de machst de Arbet nit.« Sein Tonfall war müde.
»Ich tu die Arbeit. Ich fasse nur die Hütte nicht an«, erwiderte Luzinde mit klopfendem Herzen und hob das Brett an.
»Aber es is nur ein Schlingl am Dach, damit’s nit einkracht!«
Luzinde stellte das Brett unsanft wieder auf den Tisch. »Wenn’s doch nur ein Knoten ist, warum macht dein Weib ihn nicht selbst?«
Mose starrte sie an. »S’is uns farboten«, murmelte er. Dann winkte er ab und seufzte. »S’is Schabbat und Sukkot . Sollten beide eigentlich eine Zeit der Freide sein. Ach was. Bring des Essen her. Des Dach kann warten.«
»Ich fasse das Ding nicht an!«, wiederholte Luzinde bebend. Wie hatte die Familie die Hütte gebaut, wenn sie die Fäden nicht verknoten durfte? Sie verstand das nicht. Doch sie gehorchte, hob das Brett auf die Schulter und trug das Essen hinaus. Rebekka begegnete ihr mit eisigem Schweigen und scheuchte sie dann fort. Der einzig freundliche Blick stammte von Rosa, die Luzinde beinahe entschuldigend anlächelte.
Danach musste Luzinde in den Keller, um einen frischen Bierkrug zu holen. Sie griff sich die Laterne und kletterte vorsichtig die steilen Stufen hinunter.Tatsächlich war sie froh über die Gelegenheit, aus den Augen der Hausherrin zu kommen. Unten sah sie sich ein wenig um und entdeckte, dass das Haus auf weitläufigen, aus dem weichen Felsen geschlagenen Kellerräumen stand. Sie leuchtete die wie Kreuzgänge zurechtgemeißelten niedrigen Räume aus. Die Decken waren gerade so hoch, dass ein Mensch aufrecht stehen konnte. Für Stabilität sorgten ausgesparte Felsensäulen. Sie erinnerte sich an ihren ersten Blick hinüber zur Burg, die auf einen hellen Felsen ruhte. Ob die ganze Stadt auf diesem Sandstein stand? Und wieviele solcher Keller mochte es geben? Überrascht stellte Luzinde fest, dass die Luft kühl und frisch war, nicht stickig oder
faulig, wie man es aus Kellerräumen gewohnt war. Froh über die Ablenkung stellte sie die Laterne ab und griff nach einem bereitstehenden Bierkrug, den man mit einem Lappen abgedeckt hatte. Sie schnüffelte daran und setzte an, um einen Schluck zu kosten.
Plötzlich sprang Luzinde etwas ins Gesicht. Etwas Kühles, Feuchtes klebte auf ihrer Haut! Sie schrie auf und taumelte zwei Schritte zurück. Der Krug, den sie eben noch in der Hand gehalten hatte, zerschellte auf dem Boden. Als sie panisch nach dem Ding schlug, um es abzustreifen, da schnellte es auch schon wieder fort. Mit galoppierendem Herz presste Luzinde sich an eine Wand und sah sich wild im dunklen Keller um. Doch es blieb still. Was war das bloß gewesen?
Irgendwann brachte sie sich dazu, um die Scherben des Gefäßes herumzutreten und sich mit der Laterne auf die Suche zu machen. Vor jeder Ecke klopfte ihr Herz schneller, und das Ausleuchten der schattenschwarzen Nacht hier unten entrang ihr viel Mut. Dann, endlich, sah Luzinde eine kleine Kreatur auf dem Boden hocken, deren Umrisse sie erst erkannte, als sie die Laterne direkt davor hielt. Bei dem Übeltäter handelte es sich um einen laubgrünen Frosch. Erleichtert entspannte sie sich.
»Ja, was machst denn du in dem Bierkrug?«, fragte die Magd erstaunt. Frösche lebten in
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