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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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»Luzinde, nimm den Briw, jo?«
    War da irgendein Haken dran? Glaubte er, das Pergament wäre vergiftet? Die Magd versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, doch mehr als milde Ungeduld sah sie dort nicht. Also nahm sie den Brief entgegen.
    »Und jezt gib ihm en Pfennik, jo?«, bat Mose, schnappte ihr den Brief aus der Hand und ließ ihr die Münze da. Luzinde wechselte einen verwirrten Blick mit dem Boten und gab ihm sein Geld.
    Zweimal ging die Familie an diesemTag zusammen zur Schul. Mose gab Luzinde ausführliche Anweisungen, nichts am Tisch zu verändern. Sie sollte nur die Kerzen löschen und wieder anzünden, wenn die Familie aus der Schul zurückkam. Als die
Magd fragte, warum sie das denn heute tun durfte, obwohl Rebekka sich dagegen gestern so gewehrt hatte, da starrte er sie stirnrunzelnd an. »Gestern war Leil-Schabbat. Heut nit.« Luzinde kannte diesen Tonfall bereits – Mose setzte ihn auf, wenn er seinem kleinen Sohn etwas zum dritten Mal erklärte. Also ließ sie die Erklärung auf sich beruhen und tat seufzend, was man ihr sagte. Wenn sie hier bleiben wollte, würde sie eine ganze Menge lernen müssen. Und Gottschalk fragen, was es mit diesen Dingen auf sich hatte.
    Sogar Rebekka rief Luzinde zu sich, bevor die Familie zur Schul ging. »Hier«, sie deutete auf eine helle Nadel aus Bein, die auf dem Tisch lag. »Im Kleid is immer noch der Riss. Nimst de Nodel und neist des zu, jo?«
    Luzinde gehorchte und flickte den Riss in Rebekkas gutem grünem Gewand mit sicher einem Dutzend wohlgesetzten Stichen. Rahel legte derweilen Bel den Umhang um.Warum ließ die Hausherrin dies nicht die jüdische Magd tun? »Danke«, sagte Rebekka kühl. Dann ging die Familie, und Luzinde holte sich etwas Brot und Bier.
    Beim Essen überschlug Luzinde die Geschehnisse im Geiste und stellte fest, dass sie die Einzige war, die den ganzen Tag gearbeitet hatte. Nicht einmal Rahel oder die Knechte hatten etwas getan, das man als Tagwerk bezeichnen konnte. Dabei war doch morgen erst der heilige Sonntag! Also musste es für das faule Verhalten der Juden eine andere Erklärung geben. Sie dachte an die Sache mit den Kerzen gestern. Vermutlich hatte Rebekka die Familie angewiesen, ihr als der neuen Schabbesmagd den Platz aufzuzeigen, an den sie gehörte. Sie wollte sie strafen und sie in der Rangordnung der Familie und der Bediensteten ganz nach hinten stellen. Luzinde spülte das Brot mit dem Bier hinunter und seufzte. Sie würde eine Menge über sich ergehen lassen, wenn das bedeutete, dass sie nicht
wieder auf die Straße musste. Solange die Schikanen nur darin bestanden, dass sie der Lastesel der Familie war oder dass sie die ungeliebte Handarbeit tat, konnte sie das ertragen. Das alles konnte ja kaum so schlimm werden wie Margarets Schikanen in Pillenreuth. Aber auch sie hatte eine Grenze – sie würde nichts tun, was im Namen des Herrn falsch oder gar unheilig war.
    Als die Familie heimkehrte, begann Rahel in der Küche zu wirbeln. Luzinde bekam bald dies, bald jenes in die Hand gedrückt, um es in die Hütte im Hof zu bringen, damit man essen konnte.Ysaacs Familie saß mit Rebekka und den Kindern bereits am Tisch, die Sonne war schon untergegangen, so dass das Zwielicht den Innenhof in einen goldenen Schimmer tauchte. »Du«, sagte Rebekka und winkte sie mit dem Kinn herbei.
    Luzinde sah auf. »Ich heiße Luzinde«, erwiderte sie. »Herrin.«
    »Luzinde«, wiederholte Rebekka betont. »Do is ein Schlingl ab. Schling’s wider zusam, sonst komt des Dach runter.« Dabei wies sie auf die Ecke der Laubhütte, wo das Dach in der Tat gefährlich lose hing.
    Die Christenmagd zögerte. Sie erinnerte sich daran, wie Gottschalk gesagt hatte, dass die Hütte etwas mit einem jüdischen Fest zu tun hatte, dass die Kinder liebten. Sie wusste nicht genau, was man hier feierte, doch es war ein unfrommes Ritual. Kerzen darin zu entzünden war eine Sache. Aber sie berühren? Wollte man sie nun an unheiligeTaten heranführen? Sie schüttelte den Kopf.
    »Bitte«, ergänzte Rebekka ungeduldig, das Zögern offenbar missverstehend.
    »Nein«, verkündete Luzinde. »Das Dach ist eh kaputt. Macht dass da noch etwas aus?«

    »Nein?«, fragte die Jüdin ungläubig. »Ich bin de Herin hier, und ich sag, wann de des Dach machen musst. Also mach des farfrumte Schlingl fest!«
    »Nein«, wiederholte die Magd fester. »Es ist nur ein Knoten. Mach ihn selber!«
    »Aber Luzinde – Luzinde is es, nit?«, mischte sichYsaac ein. »De Rebekka is dein Herin, und

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