Die Lichtermagd
sich schutzlos – und beobachtet. Was hatte sie sich dabei gedacht?
In der Burg war kein Laut zu hören, und sie gelangte unbehelligt bis zumTor zur inneren Burg.Auch hier stand das Mannloch offen. Sie schob die eisenverstärkte Holztür auf und lugte in die Schatten dahinter. Der Burghof lag tief und leer vor ihr. Sie trat hindurch und sah sich zögernd um. Der vage Geruch nach alten Pferdeäpfeln und Fäkalien war der einzige Anhaltspunkt dafür, dass der Hofstaat vor fünf Wochen hier gewesen war. Im hinteren Bereich lag mit einer großen vorgebauten Holztreppe die Kemenate, in der üblicherweise die Frauen wohnten. Links vor ihr führten ein paar Treppenstufen zum herrschaftlichen Saal hinauf.
Etwas streifte Luzinde am Arm. Erschrocken fuhr sie zusammen.
Hinter ihr war ein Rascheln zu hören, und so zuckte sie zurück und stolperte auf dem unebenen Kopfsteinpflaster des Hofs. Sie fiel unsanft, doch sie presste die Lippen aufeinander – sie würde nicht schreien. Nicht vor Schreck zumindest, bis sie wusste, was dort lauerte. Sie raffte die Röcke und sprang wieder auf die Füße. Ihr Bein schmerzte immer noch ein wenig, doch sie ließ es außer Acht und stierte ins Zwielicht. Das Einzige, was sie in den langen Schatten des schwindenden Tages sah, war ein wippender langer Ast des Efeus, das die Mauer erobert hatte. Sie atmete erleichtert aus und lächelte in sich hinein. Wie konnte man nur so schreckhaft sein?
»Luzinde!«
Die Magd fuhr herum. Vor ihr stand Ulman Stromer, das dunkle Haar zurückgestrichen, in einem hellen Seidenwams mit einem weiten Umhang gegen die Abendkühle. »Alles in Ordnung?«
»Ja!« Sie lachte beinahe vor Erleichterung. »Alles in Ordnung.«
Er sah sie noch einen Augenblick prüfend an. »Du sagtest, du wolltest mich sprechen?«
Luzinde nickte, doch sie vermutete, dass er diese Geste im Dunkeln der Mauern vermutlich nicht mehr sehen konnte. »Ja.«
»Es klang dringend.«
»Das … das ist es. Sehr.« Sie zögerte und schlang die Arme um den Leib, denn sie fröstelte. »Ich brauche einen Rat.«
»Einen Rat? Das klingt wirklich ernst. Dann gehen wir besser hinein, was?«, meinte Ulman. »Hier draußen trägt jedes Wort weit.« Er reichte ihr eine Hand. »Wollen wir?«
»Ja.« Sie ergriff seine Finger. Mit einem Mal hatte sie einen ganz trockenen Mund.
»Das dort ist das Frauenhaus«, er wies auf die Kemenate, die rechts von ihnen lag. »Aber diese Verwendung hat es nur, wenn der König – oder Kaiser – mit großem Gefolge reist. Das tut er wahrlich nicht immer. Meist steht es leer oder wird für die Ritter verwendet. Es hat den Vorteil, dass man es gut beheizen kann.«
Dann führte Ulman sie die Treppe des Palas hoch auf die Galerie und durch ein paar kleine Kammern, bis sie in wirklich herrschaftliche Räume kamen. »Das wollte ich dir zeigen«, erläuterte er fast entschuldigend. »Es sind die kaiserlichen Zimmer.«
Die Magd staunte. Die Räume wirkten unbewohnt und leer, denn es gab kaum Möbel. Nur ein riesiges Holzbett mit Vorhängen und Maßwerkschnitzereien zierte einen Eckraum, eine gigantische Truhe einen weiteren. Wände und Decken waren allerdings kostbar vertäfelt und teilweise mit Wappen, sogar dem Reichsadler, ausgemalt. »Warum ist alles leer?«
»Der Rat hat die Pflicht, die Burg auszustatten, wenn der Kaiser kommt. Niemand sagt, dass wir sie möblieren müssen, wenn der Kaiser nicht da ist. Dann würde das teure Holzwerk doch nur herumstehen und verrotten.«
»Wo kommen dann die anderen Möbel her?«
»Von den Ratsfamilien.«
»Das heißt, der König isst an euren Tischen?«
»Und speist von unseren Tellern, ja.«
»Und die Möbel von Bürgersleuten sind gut genug für ihn?«, fragte Luzinde erstaunt.
Da lächelte Ulman und entzündete eine bereitstehende Laterne, denn innerhalb der niedrigen Räume war es bereits dunkel. »Die Möbel der Nürnberger Patrizier sind so edel, dass ein König sie sich kaum leisten kann«, schmunzelte er. »Aber Kaiser Ludwig zum Beispiel hat sowieso viel lieber in
einem Bürgerhaus geschlafen – bei Konrad Groß, oder früher bei meinem Vater. Unsere Häuser sind zwar nicht so wuchtig wie diese Burg hier, aber dafür auch weit gemütlicher.«
Den Kaiser in den eigenen vier Wänden – Luzinde konnte sich das gar nicht ernsthaft vorstellen. »Und wo schlaft ihr, wenn der König da ist?«
»In den Betten unserer Dienstleute. Das gibt immer ein Gemurre unter den Frauen, das kann ich dir sagen.«
Es roch nach kalter
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