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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Mienenspiel, das seine zwiespältigen Gefühle widerspiegelte.
    Hosto wusste, was der Mann empfand. Gruntherr war einer der Ihren. Ihn der Gerichtsbarkeit König Karls auszuliefern, um allen anderen den Kopf zu retten, hieß, sich selbst ins Fleisch zu schneiden, indem man es sich mit seiner Familie verscherzte. Gleichzeitig konnte man in Schoppers Augen den Abglanz dieses Triumphes bemerken: einen der ihren, einen Mann mit Geld und Einfluss, dem böhmischen Löwen zum Fraß vorzuwerfen. Nichts demonstrierte die Macht eines Mannes mehr als einen machtvollen Mann zu stürzen.
    »Gruntherr ist erst in zweiter Linie von Bedeutung«, sagte Hosto ungeduldig. »Wichtiger ist erst einmal, uns gegen Burggraf Johann abzusichern. Er will die Judengelder rückwirkend, auch für das letzte Jahr. Er will auch die Kaiserburg, die ihm Karl damals im Juni, bevor er mit Nürnberg verhandelt hat, wieder zugesprochen hat.«
    »Die Kaiserburg? Die kann er nicht haben!«, rief Schopper entrüstet aus. »Er hat doch bereits die Burggrafenburg direkt daneben! Glaubt er wirklich, der Rat duldet, dass er sich vollends in Nürnberg festsetzt?«
    »Das weißt du, und wir wissen es auch, also musst du nicht so schreien«, grunzte Götz Scheffein. »Wir haben die Kaiserburg stark bemannt. Soll Johann sich doch eine blutige Nase holen!«
    »Das kann uns aber auf Dauer nicht helfen«, widersprach Hosto. Er wusste, dass Götz sich nicht vor einem bewaffneten Konflikt fürchtete – Hosto selbst tat das auch nicht. Darüber hinaus war der andere bisweilen von erschreckender Kurzsichtigkeit. »Wir müssen die Sache ein für alle Mal zu Ende bringen. Johann hat das Recht momentan auf seiner Seite. Das müssen wir ändern. Wir müssen Karl dazu bringen, die Zugeständnisse
an Johann zu widerrufen und sämtliche Privilegien wieder uns zu übertragen. Und mehr.«
    »Noch mehr? Was denn bloß, Hosto?«, fragte Fritz Schopper stöhnend. »Wir hatten schon alle Hände voll zu tun, um nicht aufs Schafott zu kommen, und jetzt willst du Forderungen stellen?«
    »Wir sind im Recht, erinnerst du dich?«, lächelte Hosto. »Wir haben nur mit dem Aufstandsrat zusammengearbeitet, um das Schlimmste zu verhindern!«
    »Was willst du denn noch von Karl fordern?«, fragte Scheffein misstrauisch.
    »Wir bauen ihm den größten Markt nördlich von Venedig und südlich von Lübeck. Mitten im Herzen des Reiches.«
    Schweigen erfüllte die Laurentiuskirche.
    »Und wohin?«, fragte Leupold Groß schließlich halb interessiert. »Wir haben keinen Platz dafür, Hosto.«
    »Zwischen Rathaus und Fleischbrücke auf der einen und Augustinerkloster und Zotenberg auf der anderen Seite.«
    »Aber … da stehen doch Häuser. Und die Juden wohnen dort«, fasste Schopper verwirrt zusammen.
    Hosto sah ihn nur stumm an. Es war der skrupellose Scheffein, der seine Gedanken erriet und aussprach: »Noch.«
    »Aber Hosto!«, rief Schopper aus. »Die Juden sind doch des Königs! Sie gehören seiner Kammer an und werden von ihm geschützt!«
    »Ja«, sprach Ulrich Stromer leise. »Die Juden gehören dem König. Das heißt aber auch, dass der König sie verkaufen kann.«
    Schopper verstummte wieder, und Hosto wartete auf die Reaktion der anderen. In der Stille erklang ein Geräusch. Man konnte nicht erahnen, woher es kam, denn es hallte hohl durch alle drei Schiffe der Basilika. Hosto wandte den Kopf und ging
ein paar Schritte hinter den Altar, um einen Blick über das Mittelschiff zu erhalten. Das Meer von Kerzen flackerte in einem kaum wahrnehmbaren Zug. Schließlich sah er auch ins Südschiff und hinter die Chorgestühle. Nichts. Die Schatten hinter den Säulen und den Wänden waren nicht so tief, dass sich jemand dahinter hätte verbergen können. Das beruhigte den Ratsherrn. Es war außer ihnen niemand hier.
    Als Hosto zu den anderen Männern zurückkehrte, nickte Leupold Groß. »Mir gefällt der Gedanke. Mein Vater sagt immer, das Einzige, was Nürnberg fehle, um richtig ›Groß‹ zu werden«, er lächelte fein, »sei ein anständiger Markt. Wenn wir die Judenhäuser abreißen … Das wäre ein Markt, der sich neben Lübeck und Florenz nicht verstecken müsste.«
    »Vielleicht werden sie verkaufen?«, fragte Schopper kläglich. Doch Hosto schüttelte den Kopf. »Ich habe meinen Neffen Verhandlungen führen lassen. Die Juden werden nicht verkaufen. Karl hat ihnen damals direkt nach seiner Krönung Schutz zugesichert – und dafür natürlich gut bezahlen lassen. Das heißt aber nur«,

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