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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Verachtung. Einen nach dem anderen musterte er wie ein Schullehrer seine abgrundtief dummen Schüler. »Ich liefere die Beweise, sonnenklar und unwiderlegbar! Aber was tun die Herren Schöffen? Anstatt zu einem Urteil zu kommen, halten sie Maulaffen feil, behindern die Justiz, sind unwillig und widerborstig und ich weiß nicht, was ich von einigen von ihnen halten soll!«
    Buirmann wandte sich um und warf dem Amtmann einen Blick zu.
    »Beinschrauben?«, fragte er dann knapp.
    Schall von Bell nickte.
    Anna Peller schrie und flehte, bettelte, ihr wenigstens ein paar Tage Zeit zu geben, um die Anschuldigung der beiden Horsts widerlegen zu können, führte an, dass ihr Mann zweimal Bürgermeister der Stadt gewesen sei, Rheinbach als Rat und Schöffe gedient habe und es ihm als Baumeister stets nur um das Wohl der Bürger gegangen sei.
    Ungerührt vermaß der Henker ihre Beine, während
    Buirmann, Schall von Rauch, der Gerichtsschreiber Heimbach und sein Gehilfe Rohr mit Wolfsblicken die Schöffen belauerten.
    »Mein liebster Gottfried, Gottfried, wo bist du? Komm und hilf mir aus dieser Not und Angst!«, schrie sie, als der Henker den Druck der Schrauben verstärkte.
    »Du Erzzauberin, gib es endlich zu, das Kind des Jakob Horst verdorben zu haben. Ein Hellseher hat dich gesehen und bestätigt, dass du es warst!«
    »O wehe den Horsts! Wehe Vater und Sohn! Diese gottlosen Menschen haben mich durch Wahrsager und
    Teufelsbeschwörer in das ehrabschneidende Gerücht gebracht!
    Wehe Jakob und Josewin Horst, wie wird es Euch noch ergehen!«
    »Beantworte meine Fragen, anstatt zu lamentieren!«, lärmte Buirmann auf sie ein.
    Sie sah ihn aus schmerzverzerrten Augen an. »Der gerechte Gott soll Euch und Eure Schöffen strafen! Tut Ihr den Menschen so wie mir, so werdet Ihr das schwerlich vor Gott…«
    Weiter kam sie nicht. Gereizt nestelte der Henker sein dreckiges Taschentuch aus der Joppentasche und stopfte es ihr in den Mund.
    Das durch die kleinen schießschartenartigen Fenster einfallende Tageslicht verdunkelte sich zunehmend, wechselte in ein Grau mit tintenblauem Stich. Von Flerzheim herüber rollte ein dumpfes Grummeln, anfangs noch leise, kam näher, wuchs zu einem bedrohlichen Grollen an, gegen das die Glocken der beiden Kirchen mit zunehmender Mutlosigkeit anzukämpfen schienen. Ein Blitz jagte einen schwefelgelben Streifen Licht in den Raum, erhellte Buirmanns Gesicht, das für die Länge eines Wimpernschlags eher einer teuflischen Fratze als einem menschlichen Antlitz glich. Im selben Augenblick brachte ein gewaltiger Donnerschlag die Luft zum Erzittern. Hermann Löher erwartete beinahe, im nächsten Moment über sich eine Stimme zu vernehmen: »Seht her! Hier steht er! Der Satan in Menschengestalt! Sein Name: Franz Buirmann!«
    Aber kein Ruf ertönte, keine Stimme klagte an. Vielleicht war ja das Gewitter die Stimme, die Antwort auf ihr frevelhaftes Tun, nur wollte sie niemand hören. Ein zweiter Schlag, noch heftiger als der erste, fuhr herab auf Rheinbach.
    Alle in der Kammer, mit Ausnahme von Buirmann,
    bekreuzigten sich. Löher hätte sich nicht gewundert, wenn der nächste Strahl das Rathaus mit ihnen allen getroffen hätte, wenn der Herrgott mit feuriger Faust dazwischengeschlagen hätte.
    Buirmann gab Anweisung, die Delinquentin aus den
    Beinschrauben zu befreien, ging ruhelos auf und ab, schien der Einzige zu sein, der vor dem tobenden Unwetter keine Bange hatte. Wieder zuckte ein greller Streifen durch die schmalen Fenster, warf gespenstisch lange Schatten auf den Boden.
    Rollend walzte der Donner über Rheinbachs Dächer, zwängte sich durch die Gassen und brach sich hallend an den Wänden der Häuser.
    Der Kommissar blieb vor dem Folterstuhl stehen. »Hörst du es?«, schrie Buirmann gegen das Toben an. »Gott selbst ist gegen dich!«
    Anna Peller gab ihm keine Antwort. Der Kommissar trat näher, beugte sich zu ihr herab, versuchte in ihren Augen zu lesen. Trotz des Dämmerlichts sah er, dass sie noch lange nicht gebrochen war. Buirmann besprach sich kurz mit den beiden Ja-und-Amen-Schöffen, dem Schreiber und dem Amtmann.
    »Ich schlage vor, wir beenden für heute das Verhör und machen morgen weiter!«, wandte er sich an die übrigen Schöffen, die erleichtert zustimmten. Dann hieß er den Boten, die Angeklagte in ihre Zelle zu bringen. Draußen wurde das Gewitter schwächer, dafür öffnete der Himmel seine Schleusen.
    Löher und Gertzen blieben unter dem Tor stehen, um das Nachlassen des

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