Die Lichtfaenger
Platzregens abzuwarten.
»Dieser brünstige Hurenbock!«, sagte Hermann Löher, schwieg dann und starrte in den Regen.
»Bei ihrer Schwester hat er auf Stein gebissen. Vielleicht muss das jetzt die Pellerin büßen. Ich vermute, er will der Maria, wenn er sie schon nicht bekommen kann, zeigen, was für ein mächtiger Mann er ist!«
Löher sah Gertzen von der Seite her an und nickte. »Das muss ein Ende haben. Es kann nicht angehen, dass er unseren christkatholischen Glauben benutzt, die heiligen Dinge missbraucht, um sein schändliches Spiel zu treiben und sich die Taschen zu füllen. Der Schall von Bell ist der gleiche Lump, genauso der Heimbach! Hast du bis heute eine Abrechnung oder auch nur etwas Ähnliches von einem einzigen Prozess gesehen? Weißt du, was der Schall mit den sechshundert Reichstalern gemacht hat, die die Witwe Böffgen der Stadt für die Armen geschenkt hat, als ich Bürgermeister war? Kannst du oder sonst wer sagen, wo die abgeblieben sind? Nein? Ich schon! Der Schall hat sie bei der nächstbesten Gelegenheit klammheimlich in seinem Sack verschwinden lassen! Ich rede mal mit deinem Vetter, und zwar jetzt gleich…«
Löher hielt erschrocken inne, als er hinter ihnen den Vogt bemerkte. Keiner der beiden hatte ihn kommen hören. Hatte er etwas mitbekommen? Schwegelers Miene war
undurchdringlich, doch Löher meinte ein winziges Aufblitzen in dessen Augen gesehen zu haben.
»Der Regen scheint nachzulassen!«, sagte Schwegeler wie beiläufig und als Herbert Lapp mit Jan Bewell zu ihnen trat, sprach niemand mehr ein Wort.
Doktor Johann Freylink, Gertzens Vetter, war Löhers Freund seit Kindertagen. Zusammen waren sie durch die Wiesen und die Felder um Rheinbach gestreift, auf Bäume geklettert, hatten Vogelnester ausgehoben und wilde Beeren gesammelt.
Schon früh hatte Johann sich für den geistlichen Beruf entschieden, war in den Orden der Dominikaner eingetreten und von seinen Kölner Oberen zum Studium nach Österreich, Italien, Spanien und Frankreich geschickt worden. Nun war er zu Besuch bei seinen Eltern in Rheinbach. Was er hier vorfand, bedeutete für ihn nur noch eine matte Überraschung. Was hatte er nicht schon alles gesehen und gehört? Halb Deutschland lag in Schutt und Asche, ganze Landstriche hatte der Krieg bereits entvölkert, aber die Menschen hatten nichts Besseres zu tun, als Hexen und Zauberer zu jagen. Da grenzte es eher an ein Wunder, dass Rheinbach so lange von der Sengerei verschont geblieben war.
»Wieso fährt die heilige Kirche nicht dazwischen? Wieso schützt sie nicht die frommen Unschuldigen, die von teuflischen Leuten wie Buirmann, Moeden, Schultheiß und wie sie alle heißen zu Tode gebracht werden? Wieso duldet sie solche Mörder und Schinder in ihrer Mitte, wirft sie nicht hinaus, exkommuniziert sie? Wieso nimmt sie nicht so verkommene Bettelmönche wie unsere beiden hier in Rheinbach an die Kandare?« Hermann Löher war wütend.
»Viele Wiesos auf einmal«, entgegnete Freylink ruhig, »aber so ganz stimmt es nicht. Es sind sehr wohl schon einige Ermahnungen aus Rom an die deutschen Fürsten ergangen.
Aber Rom ist weit, wohl zu weit. Die Frage müsste lauten: Wieso in Deutschland? Und wenn du Kirche sagst: Welche meinst du denn? Natürlich die katholische! Schau doch, was die Fürsten in den Gebieten der Lutheraner, Calvinisten und Zwinglianer machen! Da brauchst du nicht die Hand umzudrehen!«
»Das ist keine Entschuldigung!«, fuhr Löher auf.
»Da hast du Recht«, sagte Freylink, »aber was machen wir jetzt mit dem Kommissar Buirmann?« Nachdenklich rieb er sich eine Weile die Nase. »Ich glaube, ich hab’s!«
»Und das wäre?«
»Vielleicht ist es besser und gesünder für dich, wenn du es nicht weißt!«, entgegnete Freylink und lächelte.
Wie Füchse vor dem Hühnerstall belauerten der Schreiber Heimbach, der Amtmann und der Kommissar die Schöffen vor der endgültigen Abstimmung über das Schicksal der Pellerin, kein Mienenspiel und keine Bewegung entging ihnen. Plötzlich sprang Buirmann mit verzerrtem Gesicht vom Richtertisch auf und bedeutete den beiden anderen, ihm zu folgen.
»Was haben sie denn vor?«, fragte Herbert Lapp den neben ihm sitzenden Jan Bewell, der nur gleichgültig die Schulter zuckte.
Heimbach kam zurück, konnte nur mit Mühe ein hämisches Grinsen unterdrücken.
»Jan Bewell, würdet Ihr bitte zu uns kommen?«
Mit teilnahmsloser Stumpfheit erhob sich Bewell, sah niemanden an und trottete wie ein Hündchen, das den
Weitere Kostenlose Bücher