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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Zipfel einer Wurst erwartet, hinter dem Schreiber her.
    Im Gerichtssaal machte sich Stille breit, lastete bleischwer, verbot jedes Wort. In ihren Köpfen rasten die Gedanken, sie überlegten, mutmaßten, folgerten und kamen doch zu keinem Ergebnis. Hermann Löher spürte, dass etwas Unheimliches, etwas Böses im Gange war, von dem sie keine Ahnung hatten und wogegen sie sich nicht wappnen konnten. Zäh wie Harz dehnte sich die Zeit, schien irgendwann vollends zum Stillstand gekommen zu sein. In banger Beklommenheit richteten sich alle Blicke zur Tür, als diese sich langsam öffnete. Mit Gesichtern wie aus Stein nahmen Kommissar, Amtmann und Schreiber auf ihren Stühlen Platz, nur Bewell blieb hinter dem seinen neben Herbert Lapp stehen.
    »Herbert Lapp«, fing er an, »hört, was ich Euch im Namen von Doktor Buirmann, des Amtmannes Schall von Bell und des Herrn Heimbach zu sagen habe!«
    »Was habt Ihr mir zu sagen?«, fuhr Lapp auf.
    »Ich sage Euch im Namen dieser drei, dass Ihr sofort vom Richtertisch aufstehen und Euer Schöffenamt als unehrenhafter Mann auf der Stelle niederlegen sollt. Denn Ihr seid als Zauberer erkannt und kommt unverzüglich ins Gefängnis!«
    Die Luft roch plötzlich nach Entsetzen, ließ den Atem stocken. Aschfahl wandte sich Lapp zu Bewell um, sah ihn fassungslos an.
    »Was behauptet Ihr da von mir, Johann Bewell? Seit über zwanzig, ja schon fast dreißig Jahre sitzt Ihr hier neben mir auf dem Schöffenstuhl…«
    »Ich sage Euch das auf Befehl des Amtmanns und des Doktor Buirmann!«, unterbrach ihn Bewell ungerührt.
    »So ist es!«, sagte der Kommissar und Amtmann und Schreiber murmelten und nickten Zustimmung.
    Herbert Lapp schnappte wie ein Fisch an Land, protestierte heftigst, nahm Gott, Himmel und Erde zu Zeugen und beschwor beim Leiden Christi seine Unschuld, wandte sich an die Schöffen, appellierte an ihren Verstand und ihren Sinn für Gerechtigkeit. Als er einsah, dass er von dort keine Hilfe zu erwarten hatte, rief er, alle ergangenen Urteile seien falsch, bösartig und ungerecht gewesen, so wie jetzt die Anschuldigungen gegen ihn.
    Buirmann stand auf, schlich geduckt wie ein sprungbereites Raubtier an ihn heran, richtete sich plötzlich mit einem Ruck auf, warf die Hände theatralisch in die Luft und begann schallend zu lachen. »Hört Ihr ihn? Hahaha, was ist denn das für ein Protest? Was will uns denn der alte Zauberer weismachen, wo schon zehn oder mehr Aussagen gegen ihn vorliegen? Ich werde ihn überführen!« Immer noch prustend wandte er sich an Martin Koch: »Kommt her, kommt her!
    Bringt mir die gefangene Hexe, die Bella Kloster herauf!«
    Der Bote ließ sich das nicht zweimal sagen. Wieselflink und mit einem breiten Grinsen verschwand er durch die Tür, kam bald darauf mit dem einfältigen Weiblein zurück.
    Buirmann empfing sie wie eine alte Freundin, hakte sich unter wie ein Bräutigam und stolzierte mit ihr durch den Saal.
    Vor Herbert Lapp blieben sie stehen und Buirmann deutete auf ihn. »Sag, Bella, kennst du den Mann da?«
    »Eieiei, ja ja, den Mann kenne ich sehr wohl, Herr Doktor!«
    »Wer ist es denn?«
    »Das ist der Herbert Lapp, der älteste Schöffe!«, antwortete sie mit gesenktem Kopf.
    »Was weißt du denn vom ältesten Schöffen?«
    »Eieiei, was soll ich denn von ihm wissen? Wie ich zaubern kann, so kann auch er zaubern!«
    Herbert Lapp setzte empört an, sich zu verteidigen. Buirmann aber drehte ihm unwirsch den Rücken zu und führte die Kloster zurück zu Martin Koch.
    »Genügt das nicht?«, fragte er spöttisch die Schöffen und entblößte seine Zähne. »Also gut, wenn das den Herren zu wenig ist«, sagte er zum Boten, »dann bringt die Bella weg und holt die Schuhmacherfrau, Magdalena Poppertz!«
    Auch bei ihr hakte er sich unter und führte sie zu Herbert Lapp. »Sag, Magdalena, kennst du den Mann da?«
    »Ja ja, den Mann kenne ich sehr gut, Herr Doktor!«
    »Wer ist es denn?«
    »Das ist der Herbert Lapp, der älteste Schöffe!«, gab sie zur Antwort, ohne diesen anzusehen.
    »Was weißt du denn und sagst du vom ältesten Schöffen?«
    »Was soll ich denn von ihm wissen und von ihm sagen? Wie ich zaubern kann, so kann auch er zaubern, denn ich habe ihn auf dem Tanz gesehen!«
    Der Schreiber Heimbach beschloss, die beiden Aussagen im Protokoll ein wenig umzuformulieren, da sie fast wörtlich übereinstimmten und man ihnen anmerkte, dass sie einstudiert waren.
    Erneut wollte sich Herbert Lapp verteidigen, aber Buirmann drehte ihm wieder

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