Die Lichtfaenger
nebeneinander her.
»Gleich wird ein Vogel zwitschern. Bin nur gespannt, wie er heißt!«, sagte Peller dann unvermittelt.
Löher gab ihm keine Antwort.
Sie waren die Letzten, die den Gerichtssaal betraten. Kaum hatten sie Platz genommen, ergriff der Amtmann Schall von Bell das Wort. »Unser verdienter, fast möchte ich sagen unersetzlicher Gerichtsschreiber, der verehrte Herr Melchior Heimbach, hat, wie wir alle wissen, Schwierigkeiten mit seiner verdorbenen rechten Hand.«
Löhers Augen hatten sich an das dämmerige Licht gewöhnt.
Er blickte hinüber zum Schreiber und fuhr unmerklich zusammen.
»Ich habe daher eingewilligt, dass unserem verdienten Herrn Heimbach ein Hilfsschreiber zur Seite gestellt wird, der die Protokolle in Reinschrift überträgt!«
Hermann Löher kannte den Mann neben dem
Gerichtsschreiber. Er stammte aus Flerzheim und diente dort dem Heimbach bereits als Adjutant. Eigentlich war er Wollweber, hatte gelegentlich für Löher gearbeitet, war dann aber so blutarm geworden, dass er den Beruf hatte aufgeben müssen und seinen Lebensunterhalt von da an als einziger Mann landauf, landab mehr schlecht als recht als verachteter Flachsspinner verdiente. Richtig hieß er Augustin Rohr, aber man nannte ihn nur den »Geck Augustin«, weil seine Mutter während der Schwangerschaft derart in Raserei und Wahnsinn verfallen war, dass sie angebunden werden hatte müssen. In Flerzheim hatte er mit seiner Lästerzunge schon eine Reihe von Leuten bezichtigt, an seinem Elend schuld zu sein.
»Herr Augustin Rohr wird dem verehrten Herrn Heimbach im wortwörtlichen Sinn zur Hand gehen. Notwendig ist das nun auch hier geworden, weil sich Vogt Schwegeler, der ja als Beamter der Verwaltung und als fürstlicher Prozessbeobachter an den Verfahren teilnimmt, beschwert hat, er könne die Schrift des verehrten Herrn Heimbach nicht lesen. Von den Schöffen scheint ebenfalls niemand dazu in der Lage zu sein, außer den beiden Herren Halfmann und Thynen!«
Löher sah aus den Augenwinkeln, wie Halfmann
geschmeichelt lächelte und sich dazu noch leicht verbeugte.
»Damit werden wir die langjährige Erfahrung und das scharfe Ohr unseres bewährten Herrn Heimbach weiterhin in unseren Diensten haben! Herr Heimbach schreibt wie gehabt die Protokolle und Herr Rohr überträgt sie in eine saubere Schrift!«, schloss Schall von Bell und übergab das Wort an den Kommissar.
Der ließ sich Zeit, kramte umständlich in seinen Papieren, schob einen Stapel dorthin, den anderen dahin und würdigte alle zusammen keines Blickes. Im Saal war es totenstill.
Niemand wagte zu husten oder sich zu räuspern. Mit einem unerwarteten Ruck schob Buirmann schließlich den Stuhl zurück und schritt mit auf dem Rücken verschränkten Armen in die Mitte des Gerichtssaals. Um seine Lippen spielte ein böses Lächeln. Wortlos sah er einen nach dem anderen der Schöffen an.
»Also gut«, hob er an, »mit Eurer Zustimmung – die beiden Herren Gertzen und Löher ausgenommen, die waren zu feige –
haben wir die erste beschuldigte Person verhaftet!«
Er wandte sich an den Boten Koch. »Ist sie da?«
»Ja«, antwortete dieser und warf dabei ein höhnisches Grinsen hinüber zu den Schöffen.
Löher kam sich vor wie in einer Vorführung des
Schultheaters eines seiner Kinder. Aber der Eindruck sollte unverzüglich verfliegen. »Bringt sie herein!«
Langsam öffnete sich die Tür. Zwischen zwei Bütteln erschien eine Frau.
Für einen Augenblick herrschte entsetzte Stille. Dann gellte ein markerschütternder Schrei durch den Saal.
»Anna! Anna!« Gottfried Peller war weiß wie eine gekalkte Wand, zitterte am ganzen Körper. Auch allen Übrigen, sogar Thynen und Halfmann, war das Blut aus den Adern gewichen.
Die Frau war Anna Peller, die Gemahlin ihres Mitschöffen.
Vogt Schwegeler war aufgesprungen, schrie wütend auf Kommissar Buirmann ein, auch Herbert Lapp, Richard Gertzen und Hermann Löher hielt es nicht mehr auf ihren Stühlen. Thynen, Halfmann, Bewell und der Gerichtsschreiber warteten darauf, dass der Amtmann Schall von Bell dazwischenging.
»Was soll das Geschrei?«, fuhr dieser Doktor Schwegeler an.
»Es ist rechtswidrig, alles hier ist rechtswidrig. Das ist eine Posse!«, schrie der Vogt zurück.
Lapp und Gertzen hatten ihre Mühe, Gottfried Peller davon abzuhalten, sich auf den Kommissar zu stürzen.
»Die Schöffen haben bestimmt, dass sie angeklagt wird.
Sogar ihr eigener Mann war dafür!«
Die Stimme des Amtmannes war
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