Die Lichtfaenger
seinem Fuß ein Blitz eingeschlagen hätte.
Sein Gesicht war blutleer und die Unterlippe zitterte heftig.
»Das Fenster zu!«, schrie er. »Schließt das Fenster!«
Doch niemand rührte sich, alle sahen ihn nur verständnislos an.
»Fenster zu! Macht das Fenster zu!« Seine Stimme
überschlug sich beinahe vor Angst.
»Was hat er denn? Ein Taubenschwarm!«, sagte Gertzen.
Als immer noch niemand Anstalten machte, sich zu bewegen, stürzte von der Stegen wie von Sinnen zum Fenster und warf es zu. Schwer atmend drehte er sich um. »Dämonen!«, keuchte er. »Das sind Teufel!«
Buirmann wandte ein, das könne nicht sein, weil, wie es schon bei Binsfeld stünde, der Teufel nicht die Gestalt einer Taube annehmen könne, da diese das Sinnbild des Heiligen Geistes sei.
Aber von der Stegen ließ sich nicht beruhigen. »Wo ist der Bote?«, schrie er. »Er soll sofort die Fensterläden schließen, damit die Dämonen keinen Blick auf den Lapp werfen können!«
Martin Koch war sein übliches Grinsen vergangen. Ängstlich spähte er nach draußen, ob nicht noch einer dieser gefiederten Teufel in der Nähe war, und zog dann hastig die beiden Läden zu sich heran. In der Kammer war es nun beinahe stockfinster, nur zwei schmale Lichtstreifen zwängten sich durch die Spalten der Läden und der Bote hatte Mühe, die Kienspäne zu finden.
Zwei Kinder liefen zu Mittag auf dem Nachhauseweg vor Löher her. Mit seinem Kopf war er immer noch in der Folterkammer, wo der Buirmann dem Vogt wieder einmal erklärt hatte, dass die Carolina ein altes Buch sei, wobei er höhnisch auf Schwegelers ziemlich abgegriffenes Exemplar gedeutet hatte. Für ein Gericht, das sich mit Zauberprozessen befasse, sei es völlig ungeeignet, ja, es sei geradezu verboten, sich danach zu richten. Es gebe viel bessere und ausführlichere Bücher, an die man sich zu halten habe, und im Übrigen stehe schon in der Bibel, Zauberer solle man nicht leben lassen.
»Im Alten Testament, aber nicht im Neuen!«, war der Vogt wütend aufgefahren.
Die beiden Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, hatten zu hüpfen begonnen und riefen irgendetwas. Erst als Erwachsene stehen blieben und ihn ansahen, wurde Löher bewusst, dass es sich auf ihn bezog. Erschrocken nahm er wahr, wie sie zunehmend frecher vor ihm hertanzten und immer lauter schrieen: »Hexenmeister! Hexenmeister!« Löher tat, als bemerke er nichts, beschleunigte dabei kaum merklich seinen Schritt, sah, wie sie immer sorgloser wurden, sich der Abstand verringerte. Als sie in eine Seitengasse verschwinden wollten, machte er plötzlich einen Satz nach vorn und erwischte den Buben am Hemd, während das Mädchen kreischend davonlief.
»So, Bürschchen!«, sagte er. »Was ruft ihr da?
Hexenmeister?«
Der Knabe blickte verstockt zu Boden. Grob legten sich die Männerhände um die dünnen Oberarme, zogen sich zu wie eiserne Klammern.
»Woher hast du das? Wer sagt so etwas?«, fragte Löher mit heiserer Stimme.
Der Kleine gab keine Antwort.
»Du sagst mir jetzt, von wem du das gehört hast! Sonst prügle ich dich auf der Stelle windelweich, auch wenn du der Sohn vom Küfer bist!« Der Druck verstärkte sich nochmals und Löher machte Anstalten, ihn übers Knie zu legen.
»Von meinem Vater!«, rief der Junge schnell, als er die große Hand drohend über sich sah.
»So, von deinem Vater! Und wie kommt der dazu?«
»Der Vater hat zur Mutter gesagt, er habe gehört, der Kaufmann Löher sei vielleicht ein Hexenmeister!«
»Wenn das so ist, dann gehen wir jetzt gleich zu deinem Vater!«
Der Küfer war gerade damit beschäftigt, ein Fass
auszuschwefeln, und im ganzen Hof stank es fürchterlich. Dem Mann war sichtlich unwohl in seiner Haut, sein Bub stand unvorsichtigerweise neben ihm und fing sich sogleich eine Backpfeife ein, während das Mädchen es vorzog, alles aus sicherer Entfernung zu beobachten.
»Am Sonntag hat man im Wirtshaus davon geredet, es sei schon fast verdächtig, wie sich der Löher gegen die Prozesse sperre! Ich habe mir nichts dabei gedacht und es daheim meiner Frau erzählt!«
»Vor den Kindern!«
»Darauf habe ich nicht geachtet!«, meinte der Küfer verlegen.
Als Löher verspätet nach Hause kam, saßen Frau und Kinder bedrückt um den Tisch. Ihre Gesichter sagten alles, sie hatten es schon gehört.
»Ich muss mit dir reden, Gunde. Komm mit ins
Arbeitszimmer!«
»Das Mittagessen?«, fragte sie.
»Kann warten!«
Kunigunde stand auf und folgte ihm nach unten.
Er erzählte ihr von dem
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