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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Vorfall und dass er unverzüglich den Küfer aufgesucht und zur Rede gestellt habe.
    »Ich war am Vormittag auf dem Markt«, sagte sie, »ein paar haben mich ganz sonderbar angesehen, die Köpfe
    zusammengesteckt und hinter mir hergetuschelt. Die Pomgartin, bei der ich immer den Käse kaufe und die sonst redet wie ein Wasserfall, hat kaum ein Wort herausgebracht und war sichtlich froh, als sie mich los war. Bei der Mathilde haben sie in der Schule ebenfalls Andeutungen gemacht, sie ist heulend heimgekommen!« Kunigunde sah ihn ratlos an. »Was sollen wir tun? Was geht hier vor? Du bist Schöffe, du müsstest es doch wissen!«
    »Was hier vorgeht? Siehst du nicht, wie es sich von unten nach oben entwickelt? Zuerst die arme Magd vom Hilger Lirtz, dann die Grete Hardt, schon nicht mehr ganz mittellos, dann die reiche Böffgen, dann der größte Bauer, dann die Frau vom Peller, dem sie für ihren Prozess und die Hinrichtung eine schöne Stange Geld abverlangt haben, dann der Herbert Lapp mit seiner Frau, was bestimmt ebenfalls einen schönen Batzen einbringt. Der Lirtz war Bürgermeister, der Peller war Bürgermeister, der Lapp war Bürgermeister – und ich war Bürgermeister. Das ist kein Zufall, es geht um viel Geld und um Macht, denn auch Macht ist Geld. Wir müssen aus dem Gerede kommen, und zwar schnell, bevor es zu spät ist!«
    »Aber wie?«, fragte sie verzagt.
    »Ich weiß es noch nicht. Klar ist mir nur, dass die Lösung im Gerichtssaal liegt!«
    Eines musste man dem Doktor von der Stegen lassen: Er verstand es, für Überraschungen zu sorgen. Hatten sie die Fortsetzung der peinlichen Befragung des Herbert Lapp erwartet, so war nun seine Frau Gertrud an der Reihe.
    »So bleibt es in der Familie!«, bemerkte Buirmann süffisant.
    Die beiden Bettelmönche hatten sie dieses Mal gleich mitgebracht und Jan Bewell schickte Koch unverzüglich nach einem großen Humpen Bier. Gertrud Lapps Auftreten war sehr selbstsicher, sie war überzeugt, das Ganze sei ein Versehen, was sie auch unentwegt lautstark zum Ausdruck brachte. Von der Stegen fragte, ob sie die oder den kenne, machte sich Notizen und zog den Kreis weiterer Verdächtiger immer enger.
    Hermann Löher saß am Richtertisch, den Kopf in die linke Hand gestützt, scheinbar gelangweilt. Gelegentlich sah er durch die Finger zum Amtmann und zu Schreiber Heimbach.
    Sein Blick fiel auf Heimbachs Rechte, dürr und braun war sie und die Finger standen ab wie die Triebe einer vertrockneten Wurzel.
    Gott hat dich gestraft, dachte er, dafür, dass du die arme Magd des Lirtz ins Gerücht und damit die Prozesse hier in Gang gebracht hast!
    Er ertappte den Amtmann dabei, wie dieser zu ihm
    herübersah. In Schall von Beils Augen war etwas
    Abwartendes, Lauerndes. Es war der gleiche Ausdruck, den der Bewell vor ein paar Wochen im Gasthaus gehabt und den er nicht zu deuten gewusst hatte. Ob der Bewell etwas damit zu tun hatte? Er verwarf den Gedanken. Nein, den brauchten sie nur für die Urteile. Aber vielleicht hatte der Bewell in einem seiner lichten Momente etwas geahnt. Wieder fing er durch seine Finger einen Blick auf. Kein Zweifel, der Schall beobachtete ihn und so, wie er es tat, wusste er etwas, war womöglich gar die treibende Kraft. Der Amtmann hatte den Schlüssel, der die Tür zur Freiheit offen hielt oder die Zelle hinter ihm verschloss. Wie bekam er ihn dazu, den Schüssel nicht umzudrehen? Geld. Das war klar. Das Herz eines Schall von Bell war nur über den Geldbeutel zu erreichen.
    Bestechung! Aber wie machte man so etwas? Er konnte doch nicht einfach hingehen und zu ihm sagen: »Herr Amtmann, ich möchte Euch bestechen!«
    Von draußen kroch inzwischen die Dämmerung in den Saal und von der Kirche herüber schlug die Glocke fünf Uhr.
    »Willst du hier übernachten?«, stieß Richard Gertzen Hermann Löher an.
    »Wieso? Was ist?«, fragte der überrascht.
    »Für heute ist Schluss. Sie machen morgen weiter!«
    Löher warf einen Blick hinüber zum Schall, der sich mit von der Stegen unterhielt, verließ dann den Saal, um den Abtritt aufzusuchen, obwohl er eigentlich gar nicht musste. Dort wartete er so lange, bis die massige Gestalt des Amtmanns im Gang erschien. Hermann Löhers Herz pochte bis in den Hals hinauf. Jetzt galt es – alles oder nichts!
    »Ah, der Herr Amtmann!«, tat er unbefangen. Er sah es zwar nicht in der Dämmerung, aber er spürte, wie ihn Schall von Bell schräg von der Seite her ansah.
    »Ach, der Herr Löher!« Die Stimme klang unangenehm

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