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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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ist mein Freund, Professor George Lincoln Burr!«
    George Lincoln schluckte und hoffte, niemand würde das feuchte Glitzern in seinen Augen sehen. Doch White war mit seiner Ansprache noch nicht zu Ende.
    »Sein enormes und exaktes Wissen, sein außergewöhnliches Urteilsvermögen, sein tiefer Sinn für die wirklichen Aufgaben ist mehr wert als alles, was ich für diese Bibliothek getan habe.
    Die größten Schätze unserer historischen Sammlung hat er in Europa entdeckt und er hat dieser Kollektion den einmaligen Wert gegeben, der ohne seine selbstlose Arbeit undenkbar wäre!«
    Applaus brandete auf und George Lincoln hätte lügen müssen, wenn er das Gefühl glorioser Genugtuung in Abrede gestellt hätte.
    Ein paar Studentinnen blickten stolz zu ihm herüber. Sie waren aus der Gruppe, mit der er gewöhnlich in der Mensa das Mittagessen einnahm, was ihm einige verübelten. Mädchen hatten deren Ansicht nach an einer Universität nichts zu suchen. Kaum wären sie mit dem Studium fertig, würden sie sowieso heiraten.
    Da war eine gute Haushaltsschule sinnvoller, als den Jungen die Studienplätze wegzunehmen. Er lächelte kurz zurück. Auf White folgte als letzter Redner ein Vertreter der Regierung, der den Mut und die Weitsicht der Universität hervorhob, in einer so kleinen Stadt wie Ithaca und so weit weg von den großen Zentren ein solches Wagnis einzugehen.
    Während des anschließenden Büffets – Burr schwankte kurz zwischen Roastbeef und geräuchertem Aal, entschloss sich dann für beides – trat ein älterer Herr neben ihn.
    »Räucheraal habe ich schon lange nicht mehr gegessen!«, sagte dieser und legte sich ein fingerlanges Stück auf seinen Teller. »Professor Burr?«, fragte er dann.
    George Lincoln bejahte.
    »Ich bin David Starr Jordan von der Stanford-Universität in Palo Alto. Ich würde gern mit Ihnen reden! Wäre das möglich?
    Ich sitze da hinten rechts in der Ecke!«
    Offensichtlich hatte Jordan den Tisch mit Absicht gewählt. Er war klein und bot höchstens drei Personen Platz. »Wie gesagt, ich komme aus Kalifornien. Kennen Sie Kalifornien?«
    George Lincoln verneinte und schob sich ein paar Salatblätter in den Mund.
    »Ah, Kalifornien! Das müssen Sie sich einmal ansehen! Es ist ein Land voller Gegensätze, die Berge der Sierra Nevada im Osten, der Stille Ozean im Westen, dazwischen fruchtbare Ebenen mit Wiesen und Wäldern, aber auch Wüsten, Canyons und gewaltige Felswände. Dann dieses Licht, am Abend, wenn die Sonne untergeht und die Berge um Palo Alto in ein fast schwarzes Lila färbt!«
    Doktor Jordan schwärmte weiter von den angenehmen Sommern und dem milden Klima im Winter, die kein
    Vergleich seien zu denen hier in Ithaca und der Gesundheit weit zuträglicher wären. »Könnten Sie sich vorstellen, in einer solch angenehmen Umgebung zu arbeiten? Wir suchen für Stanford einen Bibliothekar, den wir uns eigentlich genau so vorstellen wie Sie. Auch wir möchten unsere Büchersammlung erweitern, denn eine Universität ist nur so gut wie ihre Lehrer und ihre Bücher. Außerdem soll er unterrichten, wir denken so an sieben Stunden in der Woche. Sie sind natürlich vollwertiges Mitglied der Universität und das Gehalt ist dem angemessen. Eine entsprechende Wohnung bekommen Sie zur Verfügung gestellt, selbstverständlich mit unverstelltem Blick, damit Sie die Sonnenuntergänge in Muße von der Veranda aus genießen können!«, lächelte Jordan.
    George Lincoln tauchte ein Stückchen Roastbeef in die Meerrettichsoße und schwieg.
    »Ich weiß, es ist nicht gerade die feine Art, die Gastfreundschaft zu missbrauchen und zu versuchen, die besten Mitarbeiter abzuwerben, aber ich habe mir gedacht, wenn ich schon hier bin, dann packe ich die Gelegenheit beim Schopf«, sagte Doktor Jordan entschuldigend.
    »Das ist in diesem Fall in Ordnung!« Burr überlegte. Das Angebot war ohne Zweifel verlockend. »Ich brauche etwas Zeit, um darüber nachzudenken!«, antwortete er dann.

    George Lincoln lag auf einer kleinen Mauer auf dem Rücken und versuchte mit sich ins Reine zu kommen. Was sollte er tun? Palo Alto oder Ithaca? Stanford oder Cornell? Hatte er Whites Rede zu viel Bedeutung beigemessen, hatte nur er sie als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden? Alles war wie vorher, Präsident Charles Kendali Adams hatte nicht um ein Gespräch gebeten. Was aber würde aus seinen Büchern, wenn er nach Kalifornien ginge? Es waren seine Bücher, seine Bibliothek, sein Werk, auch wenn andere es finanziert

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