Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
Vom Netzwerk:
überrascht.
    »Gut, dass ich Euch hier treffe«, hörte Löher sich sagen, »ich habe ein kleines Problem, über das ich gern mit Euch sprechen würde!«
    »Ein kleines?«, lachte der Schall. »Ich würde eher sagen, es wächst sich aus. In ein paar Tagen tratscht die ganze Stadt. Ich an Eurer Stelle würde zusehen, dass die Gerüchte möglichst bald verstummen!«
    »Das möchte ich ja! Aber wie?«
    Der Amtmann schien angestrengt zu überlegen. »Phhh«, schnaufte er dann, bevor er in gönnerhaftem Ton meinte:
    »Vielleicht könnte ich Euch helfen – allerdings…«
    Löher verstand sofort. »Natürlich weiß ich, dass das Geld kostet. Daran soll es nicht scheitern!«
    »Nein, nein«, wehrte der Schall ab, »ich möchte mich nicht bereichern! Um Gottes willen!« Er tat geradezu entrüstet. »Na ja, vielleicht eine Kleinigkeit für meine Frau! Aber wirklich nur eine Kleinigkeit!«
    Löher war klar, was der Amtmann meinte. Eine Kleinigkeit hieß, dass sie nicht besonders groß sein musste, dafür umso wertvoller.
    »Das geht in Ordnung!«, antwortete er erleichtert und setzte hinzu: »Ich möchte mich für Eure gütige Hilfe bedanken!«
    Der letzte Satz fiel ihm außerordentlich schwer.

    25

    George Lincoln Burr hatte immer noch keinen Doktortitel oder irgendeinen anderen akademischen Grad. Ein Titel aber war etwas, das man brauchte, wenn man ernst genommen werden wollte, selbst wenn die Dissertation ein Thema behandelte, das keine Menschenseele interessierte, und bis zum Jüngsten Tag in der Abgeschiedenheit eines Archivkellers vor sich hingilbte.
    Ein Titel brachte Ansehen und bares Geld. George Lincoln Burr? Wer war das? Ach ja, der Bibliothekar. Doktor George Lincoln Burr? Das war etwas ganz anderes! Das vermittelte Stallgeruch, das Gefühl von Ebenbürtigkeit, ja Erhabenheit. In ganz Amerika gab es wahrscheinlich keinen anderen Historiker, der ein so breit gefächertes Wissen über Geschichte und Zusammenhänge abrufbereit in seinem Kopf gespeichert hatte, kaum einen, der so oft um Rat und Hilfe gefragt wurde.
    Das wurde ihm zur Genüge von Kollegen anderer
    Universitäten bestätigt. Doch hier in Cornell sahen sie ihn nicht als Geschichtsforscher und Lehrer, sondern als einen einfachen Bücherverwalter, der seine Sache
    zugegebenermaßen recht brav machte.
    Ja, die Zeiten hatten sich geändert, seit Andrew Dickson White nicht mehr Präsident war, und auch in Cornell hatte die Eitelkeit Einzug gehalten. Diese Erkenntnis war bitter. Zwar hatten sie ihn einstimmig zum Vorstand der von White gegründeten Bibliothek gewählt, ihm formell den Titel des Bibliothekars zugestanden, doch in seinem Gehalt kam das nicht zum Ausdruck. Er hatte in langen Jahren die White-Sammlung aufgebaut, sie archiviert, verzeichnet, katalogisiert, fast jedes einzelne Buch gesichtet und bewertet. Die Sammlung über die Französische Revolution war weltweit einzigartig und die über Hexerei brauchte einen internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Dafür hatte er einen hohen persönlichen Preis bezahlt, auf vieles verzichtet, was für andere selbstverständlich war, seine gesamte freie Zeit geopfert. Aber sie betrachteten ihn scheinbar nur als nützlichen Idioten. Ihm ging es weniger ums Geld, vielmehr um Würde und um die Anerkennung seiner Arbeit. Burr hatte sich gegen diese Herabsetzung gewehrt, sich mehrfach bei Präsident Adams beschwert, hatte darauf bestanden, als gleichwertiges Mitglied des Kollegiums behandelt zu werden – ohne Erfolg.
    Heute fand ein weiterer Abschnitt seines Lebens ein Ende. Es war auch sein Werk, er hatte den Anstoß dazu gegeben, er war fast jeden Tag auf der Baustelle zu finden gewesen.
    Am Rednerpult stand Andrew Dickson White,
    hochaufgerichtet, mit funkelnden Augengläsern. »Es wäre eine große Ungerechtigkeit, hier nicht mit Dankbarkeit und Hochachtung den Namen eines Mannes laut auszusprechen.
    Dieser Mann hat für diese neue Bibliothek, die meinen Namen trägt und zu deren Einweihung wir zusammengekommen sind, mehr getan als jeder andere!«
    Burr sah, wie sich einige Mienen versteinerten.
    »Dieser Mann«, fuhr White fort, »hat aus dieser Bibliothek das gemacht, was sie heute ist. Einen großen Teil der Sammlung habe ich zusammengetragen. Aber mein Teil ist ein bescheidener gemessen an den Anschaffungen allein der letzten zehn Jahre, die auf diesen einzelnen Mann zurückgehen! Dieser Mann, dem wir alle hier zu tiefem Dank verpflichtet sind«, White hielt inne und suchte Burrs Blick,
    »dieser Mann

Weitere Kostenlose Bücher