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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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tat, als bemerke er sie nicht.
    Etwas war vorgefallen, das die drei betraf. Aber was?
    »Dann wollen wir beginnen!«, hörte er Doktor von der Stegen sagen. »Bringt den Angeklagten Herbert Lapp herein!«
    Lapp schien in den knapp drei Monaten um Jahre gealtert zu sein. Der ehemals behäbige Mann war abgemagert, sein Haar verfilzt, die Falten im Gesicht hatten sich eingegraben wie Ackerfurchen in trockenen Boden und die Augen lagen leblos in tiefen Höhlen. Das Gewand schlotterte um seinen Körper, die Ärmel seiner Joppe und sein Hemd waren durchgewetzt, sodass die nackten Ellbogen hervortraten.
    War der neue Doktor auch ein eingebildetes Bürschchen, so waren seine Verhörmethoden gegenüber denen Buirmanns beinahe angenehm. Jedenfalls für die Schöffen. Er schrie und brüllte nicht herum, bekam keine Tobsuchtsanfälle, beschimpfte niemanden und lief nicht schreiend auf und ab.
    Fast freundlich redete er an die drei Stunden lang auf Herbert Lapp ein, ohne allerdings etwas aus ihm herauszubekommen.
    Am Nachmittag brachten sie die beiden Franziskaner mit, die es mit einem Exorzismus versuchten. Auch nach dem Scheren fanden sich keine versteckten Amulette oder andere Dinge, lediglich die Nadelprobe war erfolgreich. Auffallend war, dass sich Kommissar Buirmann nicht einmischte, sondern von der Stegen anscheinend freie Hand ließ. Als es draußen dunkel wurde, meinte Buirmann lediglich, es wäre nicht erforderlich, dass alle Schöffen anwesend seien, es würde genügen, wenn die Herren Thynen und Halfmann dablieben, die anderen könnten nach Hause gehen. Vogt Schwegeler versuchte zu protestieren, wurde aber vom Amtmann scharf
    zurechtgewiesen. Wieder sah Löher den Hass in dessen Augen aufleuchten wie feurige Kohlen in der Esse. Etwas war vorgefallen, da war er sich nun sicher.
    Während er auf dem Gang auf Richard Gertzen wartete, kam der Vogt durch die Tür. Löher fasste sich ein Herz und sprach ihn an. »Verzeihung, Herr Doktor Schwegeler, wenn ich so zudringlich und unverschämt bin. Ich weiß nicht, ob es mich etwas angeht, aber ich habe die Blicke vom Buirmann und vom Schall gesehen. Auch der Heimbach hat Euch angeschaut wie eine Giftnatter, ebenso sein Gehilfe, der Geck Augustin, dieser Läusehund!«
    »Ihr habt schon eine deftige Sprache, Löher!«, meinte Schwegeler lächelnd. »Nicht hier. Gehen wir hinaus!« Kaum auf der Straße, fuhr er fort: »Was glaubt Ihr, warum der Buirmann so lange weg war? Wegen der Aufhebung seiner Exkommunikation? Ja, auch deswegen, aber nicht nur. In der Zwischenzeit habe ich einige Beschwerden nach Bonn geschickt, wie es hier zugeht, und die Erben der Christina Böffgen haben Einspruch erhoben. Daraufhin haben sie den Heimbach mit allen Unterlagen einbestellt und verlangten eine genaue Aufstellung der beschlagnahmten Vermögen und der Prozesskosten. Ist Euch aufgefallen, dass die Bewirtung nur noch aus Würsten, Wein und Bier besteht? Na eben. Sie haben dem Buirmann faktisch das Kommissariat hier entzogen, doch er und Schall von Bell haben den von der Stegen als Nachfolger, oder wie man es nennen will, durchgedrückt. Der wird ihnen natürlich dafür dankbar sein!«

    Der nächste Tag begann sonnig und für Februar ungewöhnlich warm. In der Folterkammer hatten sie die Fenster geöffnet, um etwas frische Luft herein- und den Gestank von Schweiß, Blut, Urin und Fäkalien nach draußen zu lassen. Aus Herbert Lapp hatten sie immer noch nichts herausbekommen. Doktor von der Stegen hatte daher die Anwendung der Beinschrauben vorgeschlagen und stolzierte wie ein Gockel um den Delinquenten herum, wobei er besonderen Wert darauf legte, seine Fragen so zu formulieren, dass sie Heimbachs Gehilfe Augustin Strom wortwörtlich niederschreiben konnte. Die rechte Hand von Melchior Heimbach war inzwischen so verdorrt, dass das Schreiben nur noch unter außergewöhnlicher Anstrengung und mit entsprechender Langsamkeit vonstatten ging. Sehnsüchtig starrte Lapp auf das helle Viereck des Fensters, dorthin, wo die Freiheit war und die Pein ihr Ende hatte. Um sich von den Schmerzen abzulenken, hatte Lapp in Gedanken mit Psalmieren begonnen.

    »Sie lauern mir bei meinen Worten auf
    Und trachten, mich zu stürzen in dem Lauf.
    Sie sammeln sich und graben mir mein Grab
    Belauschen meine Tritte… «

    Mit einem Mal erfüllte ein flatterndes Rauschen die Luft, stieg höher, wurde lauter, unterbrach den Psalm 56 in Lapps Kopf, verdunkelte das Fenster. Von der Stegen blieb stehen, so abrupt, als ob vor

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